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Dicke Luft und saure Meere

Karin Jäger9. September 2014

Die Zahlen sind alarmierend: Die Kohlendioxid-Konzentration ist seit 30 Jahren nicht so stark angestiegen wie von 2012 auf 2013. Sie habe damit einen Höchststand erreicht, warnen UN-Klimaexperten.

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Schäfer mit Schafherde vor dampfenden Schloten, Bulgarien
Als Wiederkäuer produzieren Schafe, Rinder und Ziegen bei der Verdauung in ihren Mägen große Mengen MethanBild: picture-alliance/AP Images

Kohlendioxid (CO2) ist und bleibt der größte Schädling für unser Klima und trägt in erheblichem Maße zur Erderwärmung bei. Das geht aus dem Jahresbericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hervor. Demzufolge war die Treibhauskonzentration in der Atmosphäre 2013 so hoch wie nie zuvor. Ebenfalls besorgniserregend: Die CO2-Konzentration sei seit 30 Jahren nicht so stark angestiegen wie von 2012 auf 2013.

Nicht nur für CO2, auch für die Konzentrationen anderer klimaschädlicher Treibhausgase - wie Methangas und Stickstoffoxid (Lachgas) - seien Höchststände gemessen worden, sagte WMO-Generalsekretär Michel Jarraud. Methan wirkt etwa 21-mal und Lachgas mehr als 300-mal schädlicher als CO2. "Wir wissen mit Gewissheit, dass sich das Klima wandelt und die meteorologischen Bedingungen wegen des menschlichen Verhaltens immer extremer werden. Wir müssen den Trend stoppen, indem wir den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zurückfahren. Uns läuft die Zeit davon", zeigte sich Jarraud höchst alarmiert.

Ob die Studie wirklich Anlass zu größter Sorge gibt, kann Christoph Bals noch nicht bestätigen: "Ist das ein langfristiger Trend - oder nur eine Schwankung, die auf Sondereffekte wie Dürren zurückzuführen ist, in der weniger CO2 gebunden wird und in der Atmosphäre verbleibt?", fragt sich der Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch.

Christoph Bals Germanwatch
Vorsichtig bei der Interpretation von Werten: Christoph BalsBild: DW/H. Jeppesen

Zwar zeichnen sich extreme Wetterlagen ab, aber die müssten nicht zum dauerhaften CO2-Anstieg führen. "Es gibt sogar Anzeichen einer weltweiten Verringerung des CO2-Anstiegs, weil der Verbrauch fossiler Energien rückläufig ist", sagt Bals. Sogar China habe seinen Kohlendioxid-Ausstoß in den letzten drei Jahren erheblich reduziert.

Trotzdem kann auch der Germanwatch-Chef keine Entwarnung geben. Er verweist auf die Schmelzprozesse in Grönland und der westlichen Antarktis, die selbst durch eine Reduzierung der Treibhausgase nicht mehr gestoppt werden können. In den Anden seien Menschen in der Nähe von Gletschern betroffen, weil sie vom Gletscherwasser abhängig sind. Die Gletscherschmelze stelle die Menschen vor existenzielle Herausforderungen.

Vergleich mit Werten vor der Industriellen Revolution

Die Genfer Klimaexperten der WMO beziffern die CO2-Konzentration für das vergangene Jahr mit 396 ppm (Partikel pro Million Luftteilchen). Das ist ein Anstieg von 142 Prozent seit dem Jahr 1750. Die Methan-Konzentration lag 253 Prozent über dem vorindustriellen Wert.

Die UN-Organisation bestätigt damit US-amerikanische Meeresforscher, die auf dem Meeresboden vor der US-Ostküste mehr als 600 Methanquellen entdeckten. Nach vielen Schätzungen macht das fossile Methan (CH4) allerdings nur einen ganz kleinen Teil des im Meeresboden gebundenen Kohlenstoffs aus. Der weitaus größte Teil entsteht durch Fäulnisprozessebei der anaeroben Zersetzung frischer Lebewesen durch Mikroben, also durch Fäulnisprozesse. Methan ist in Sümpfen und tropischen Wäldern zu finden, in Kläranlagen, Mülldeponien, im Kohlebergbau, und wird auch bei der Erdgasgewinnung und beim Erdgastranport freigesetzt.

Landwirtschaft in der Mekong Delta Vietnam (Foto: Christopher M. Johnson/BURN: An Energy Journal).
Reisanbau: notwendig, aber klimaschädlichBild: Christopher M. Johnson/BURN: An Energy Journal

Methan entsteht auch bei der Viehzucht. Wiederkäuer, Rinder etwa, produzieren bei der Verdauung Methan. In Ländern wie Indien, China, Brasilien und den USA ist die Methankonzentration analog zur Rinderpopulation weltweit am höchsten. Auch beim Reisanbau wird auf den überschwemmten Feldern infolge anaerober Fäulnisprozesse Methan freigesetzt. Die Methankonzentration steigt bei höheren Temperaturen, weil diese Zersetzungsprozesse begünstigen, bei denen organisches Material unter Luftausschluss zersetzt wird. Auch hohe Niederschläge fördern die anaeroben Bedingungen, weil stehendes Wasser Zersetzungsprozesse begünstigt, unter denen es überhaupt erst zur Methanbildung kommt.

Lachgas durch Überdüngung

Lachgas (N2O) entsteht bei der Zersetzung stickstoffhaltiger Verbindungen durch Mikroorganismen, besonders auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Feldern, auf denen Kunstdünger ausgebracht wurde. Können die Nutzpflanzen den darin enthaltenen Stickstoff nicht mehr aufnehmen, wird Lachgas in die Atmosphäre freigesetzt.

Versauerung der Ozeane

Die Weltmeere nehmen die Gase wie CO2, Methan und Lachgas auf. Mit weitreichenden Folgen: Der Säuregehalt des Wassers sei 2013 so stark wie seit 30 Jahren nicht gestiegen, und habe den höchsten Wert seit 300 Millionen Jahren erreicht, so die WMO-Experten.

"Die Ozeane nehmen mehr CO2 auf als die Erdatmosphäre", sagt Christoph Bals von Germanwatch. Denn das Treibhausgas aus Industrieschloten, Autoauspuffen und Kraftwerken ist wasserlöslich: Kohlensäure (H2CO3) entsteht, was die Wasserqualität verschlechtert. "Durch die Versauerung und die steigende Erwärmung sind die Biosysteme in den Weltmeeren massiv gefährdet", so Bals.

Karibische Riffe (Foto: Shutterstock)
Das Meer samt Bewohnern ist gefährdetBild: Shutterstock

So verringern sich überlebenswichtige Kalkkristalle in den Zellen von Kleinstlebewesen, die ihnen als Schutzhüllen dienen. Die ganze Nahrungsmittelkette hängt an Lebewesen mit Panzern - wie an Muschelsystemen und Korallenriffen.

Die Versauerung der Meere zu stoppen, sei ebenso eine Herausforderung wie der Klimawandel - nur werde der Zustand der Ozeane in der Öffentlichkeit bisher kaum diskutiert, so Bals.

Treibhausgase reduzieren. Dringend.

Der aktuelle Bericht aus Genf hat insofern mahnende Wirkung: "Wir müssen dringend den Anstieg der Treibhausgase stabilisieren und dann reduzieren", fordert Christoph Bals. "Und wir müssen darauf achten, was mit den CO2-Senken geschieht: Biosysteme wie Wälder und Meere, die Kohlendioxid dauerhaft speichern können." Sie wirken der Erderwärmung entgegen.

WMO-Generalsekretär Michel Jarraud drückte sich bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Weltorganisation für Meteorologie noch deutlicher aus: "Vergangene, gegenwärtige und künftige CO2-Emissionen werden eine steigende Auswirkung auf die Klimaerwärmung und die Säuerung der Ozeane haben. Die Gesetze der Physik sind nicht verhandelbar."