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Alarm im Freiluftgehege

Jan Friedmann11. Juni 2002

Der Skandal um verseuchtes Futtermittel droht das zarte Pflänzchen der Öko-Landwirtschaft zu zertreten. Die Bio-Branche trägt Mitschuld an dem Schlamassel: Sie kann sich nicht auf einheitliche Güte-Kriterien einigen.

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Ökobauer mit seinen SchweinenBild: AP

Die Lebensmittelausschuss der EU-Kommission beriet am Dienstag (11. Juni 2002) über eine europaweite Sperre für deutsche Bio-Produkte. Der GAU für die deutschen Öko-Bauern blieb dabei aus: Es wird kein europaweites Absatzverbot geben.

Doch das Image ist ramponiert: Nach Umfragen will ein Teil der Verbraucher wieder auf Produkte aus der herkömmlichen Landwirtschaft umsteigen. Die sind zwar erst recht nicht sicher - aber wenigstens billiger. Der Deutsche Bauernverband schätzt, dass der deutschen Öko-Branche durch den Nitrofen-Skandal ein Schaden von mindestens 540 Millionen Euro entsteht - bei einem jährlichen Gesamt-Umsatz für Öko-Waren von 2,7 Milliarden Euro ein gewaltiger Einbruch.

BSE-Boom der Bio-Branche

Dabei befand sich die Branche eigentlich im Aufwind. Nach dem BSE-Skandal bescherten die Verbraucher den Öko-Bauern zweistellige jährliche Zuwachsraten. Der Verkauf von Öko-Produkten ist teilweise zum Massengeschäft geworden. Die Nachfrage ist zu hoch, als dass die Ware allein auf regionaler Basis im geschlossenen Wirtschaftskreislauf produziert werden könnte. Bio-Lebensmittel werden längst nicht nur auf den jeweiligen Höfen und in kleinen Vertragsgeschäften verkauft - sie füllen die Regale der Supermärkte.

Wegen der großen Nachfrage sind die meisten Öko-Bauern gezwungen, Futtermittel zuzukaufen. Diese Praxis führte auch zum aktuellen Skandal um Bio-Fleisch, das mit dem Planzenschutzmittel Nitrofen verseucht war.

"Öko" im Dutzend

Die Unternehmen informierten die Verbraucher monatelang nicht über die Nitrofen-Funde in Bio-Lebensmitteln und ernteten dafür heftige Kritik. Neben einer professionellen Informationspolitik fehlt es der Branche auch an einheitlichen Richtlinien.

In Deutschland konkurrieren derzeit eine Reihe ökologischer Anbauverbände um die Gunst der Verbraucher. Am bekanntesten sind "Bioland" und "Demeter", daneben gibt es noch die Verbände "Biokreis", "Biopark", "Gäa", "Naturland" und "Ökosiegel". Die weiterverabeitenden Betriebe sind im Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) zusammengeschlossen.

Kosmisch beglückte Kühe

Manche Anbauverbände haben einen Hang zum Esoterischen: So setzt Demeter nach den Theorien Rudolf Steiners auf "kosmische Rhythmen" bei Aussaat und Pflege der Kulturen. Zuchtkühe werden nach ihrer "dynamischen Vitalität" ausgesucht. Und die Demeter-Milch zeichnet laut sich laut Werbung der Vereinigung durch eine "besondere Harmonie zwischen Mensch und Tier" aus.

Trotz himmlichen Beistandes gelingt es den Verbänden offenbar nicht, die Herkunft des Futtermittels für Bio-Betriebe restlos zu kontrollieren. Sie schieben der Futtermittelindustrie den Schwarzen Peter zu. In einer gemeinsamen Erklärung interpretierten die Verbände die Nitrofen-Funde im Bio-Fleisch als "Hinterlassenschaft einer chemisch-synthetischen Landwirtschaft". Als Reaktion wollen die Verbände nun einen Dachverband, den "Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft", gründen.

Kontrollen zu lasch

Politiker und Verbraucherschützer forderten bereits, dass die Produktwege deutscher Bio-Waren besser überwacht werden. Als Vorbild sollen die europäischen Nachbarn dienen. So sagte Dagmar Roth-Behrendt, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im EU-Parlament: "In anderen Ländern sind die Kontrollen zentralisiert, so dass man im Falle einer Auffälligkeit sehr viel schneller wissen kann: Wer hat wann, wo was gemacht."

Nach Ansicht des Gesundheitsexperten Thomas Isenberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen müssten Öko-Produkte regelmäßig analysiert und die Lagerstätten für Futter- und Lebensmittel überprüft werden. Die Kontrollen in der Öko-Produktion seien insgesamt zu lasch.