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Zwischenfall bei Draghis Rede

15. April 2015

Schock für den Chef der Europäischen Zentralbank: Kaum hatte Mario Draghi begonnen, Details zur Ratssitzung der EZB zu erläutern, sprang eine Frau auf seinen Tisch und forderte das Ende der "EZB-Diktatur".

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Aktivistin schüttet Papierschnipsel über EZB-Präsident Draghi
Bild: AFP/Getty Images/D. Roland

"Beendet die Diktatur der EZB", rief die Frau auf Englisch und schüttete Papierschnipsel über dem verdutzten Draghi aus. Auf ihrem T-Shirt stand "End ECB Dick-tatorship". Sicherheitskräfte überwältigten die Frau und führten sie ab. Nach einer kurzen Unterbrechung konnte die Pressekonferenz in der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main fortgesetzt werden.

Zuvor hatte der Rat der EZB wie erwartet beschlossen, den Leitzins in der Euro-Zone unverändert bei 0,05 Prozent zu belassen. Die Währungshüter hatten den Schlüsselzins für die Geldversorgung des Bankensystems Anfang September 2014 auf das aktuelle Rekordtief gesenkt.

Draghi zog eine erste positive Zwischenbilanz des umstrittenen Mammut-Programms zum Kauf von Staatsanleihen, das bis zum Laufzeitende einen Umfang von über einer Billion Euro haben soll. "Es gibt klare Anzeichen dafür, dass die geldpolitischen Schritte, die wir eingeleitet haben, wirksam sind", sagte Draghi.

Kaufprogramm geht weiter

Draghi machte deutlich, dass die EZB ihr im März gestartetes Kaufprogramm für Staatsanleihen wie geplant durchziehen möchte. "Unser Fokus wird auf der vollen Umsetzung unserer Maßnahmen liegen", sagte Draghi. "Diese Maßnahmen werden zu einer weiteren Verbesserung der Konjunkturaussichten beitragen."

Aktivistin schüttet Papierschnipsel über EZB-Präsident Draghi
Sicherheitskräfte führen die Aktivistin abBild: Reuters/R. Olowski

Im Rahmen dieses Programms will die EZB jeden Monat für rund 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere ankaufen - bis mindestens September 2016.

Mit der großen Geldschwemme nach dem Vorbild der US-Notenbank Fed will die EZB bewirken, dass die Preise und auch die Konjunktur im Währungsraum wieder anziehen. Im März lag die Teuerung in der Euro-Zone noch bei minus 0,1 Prozent - Ziel der EZB ist aber eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent.

Sorgen, dass die EZB nicht genügend Anleihen zum Aufkauf finden würde, seien "ein wenig übertrieben", so Draghi. "Wir sehen hier kein Problem."

Der Internationale Währungsfonds hatte am Vortag seine Prognose für das Wirtschaftswachstum der Eurozone etwas angehoben und erwartet nun für dieses Jahr ein Plus von 1,5 Prozent. Die besseren Aussichten seien aber kein Grund für die EZB, ihr Kaufprogramm vorzeitig zu beenden.

Draghi trat damit Spekulationen entgegen, wonach die EZB ihr vor allem in Deutschland umstrittenes Programm drosseln könnte. "Ich bin überrascht, dass jetzt schon über ein Ende spekuliert wird, wo wir doch gerade erst angefangen haben", sagte Draghi.

Kein Nachdenken über griechische Pleite

Den griechischen Banken sagte Draghi eine weitere Versorgung mit Liquidität zu. Man habe die Notkredite (ELA) für die Institute gebilligt und werde dies weiter tun, solange die Banken solvent seien und angemessene Sicherheiten hätten, sagte Draghi. Finanzhilfen würden weiterhin entsprechend der EZB-Regeln vergeben.

Erst am Dienstag hatte die EZB entschieden, den Geldhahn für griechische Banken weiter offenzuhalten. Nach Angaben aus Bankenkreisen stockte die Zentralbank den ELA-Rahmen der Athener Notenbank an die Geldhäuser um 800 Millionen auf inzwischen 74 Milliarden Euro auf.

Griechische Banken sind zur Geldversorgung zunehmend auf diese Notkredite angewiesen, da die EZB bonitätsschwache Hellas-Staatsanleihen nicht mehr als Pfand annimmt. Damit ist den Geldhäusern der direkte Zugang zu EZB-Geldern weitgehend versperrt. Über ELA-Hilfen können sie sich dennoch mit Liquidität eindecken.

Es sei auf der EZB-Sitzung auch über Abschläge auf Sicherheiten griechischer Banken diskutiert worden, sagte Draghi. Darauf werde man bald zurückkommen. Ein möglicher Erlass griechischer Schulden sei lediglich angesprochen, nicht aber diskutiert worden. Über eine Pleite Griechenlands wolle er nicht nachdenken, fügte Draghi hinzu.

bea/zdh (dpa, reuters, afp)