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"Akt der Barbarei"

10. Mai 2013

In Berlin und anderen deutschen Städten haben die Menschen an die Bücherverbrennung der Nazis vor 80 Jahren erinnert. Noch immer erschreckend: die ausbleibende Gegenwehr der damaligen Bevölkerung.

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Menschen nehmen am 10.05.2013 auf dem Campus der Universität Hamburg an einer Lesung aus Büchern teil, die 1933 von den Nazis verbrannt wurden.(Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zum Auftakt einer Gedenkwoche in der Berliner Humboldt-Universität warnte Bundestagspräsident Norbert Lammert vor den Folgen von Geschichtsvergessenheit. "Kein Land kann aus seiner Geschichte aussteigen, sowenig, wie man aus seiner Biografie aussteigen kann", sagte der CDU-Politiker. Und kein Land auf der Welt habe soviel Grund für einen kritischen Umgang mit seiner Geschichte wie Deutschland.

Berlin: Mahnmal zur Bücherverbrennung

Emigration von 500.000 Kulturschaffenden

Die Bücherverbrennung auf dem damaligen Opernplatz in Berlin sei einer der traurigen Höhepunkte im Jahr 1933 gewesen, indem die Nazis in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit systematisch die Gesellschaft gleichschalteten, sagte Lammert. Dem Rechts- und Verfassungsbruch sei der Zivilisationsbruch gefolgt, dem weder die Medien noch die Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Kirchen aus Mangel an Einsicht und Zivilcourage ernsthaft etwas entgegensetzten. In der Folge wurde eine halbe Million Menschen in die Emigration getrieben - "ein Exodus, von dem sich Deutschland bis heute kulturell und wirtschaftlich nicht richtig erholt hat", so Lammert. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) betonte, dieser "Akt der Barbarei und der antidemokratischen Hetze" zeige bis heute, wie schnell eine offene Gesellschaft zerstört werden könne.

Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Platz vor der Staatsoper in Berlin (Foto: Ullstein)
Platz vor der Staatsoper, Berlin, 10. Mai 1933: Angehörige der SA werfen Bücher in die FlammenBild: Ullstein

Der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, erinnerte daran, dass die Bücherverbrennung maßgeblich von Studenten der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität ausging. "Unsere Hochschule war kein Ort des Widerstands oder des Widerspruchs. Auch keiner der Professoren erhob damals Einspruch gegen diesen barbarischen Akt." Die Universität gedenkt mit zahlreichen Podiumsdiskussionen, Workshops und Vorträgen an den Bücherverbrennung. Erwartet wird unter anderem der ungarische Schriftsteller György Konrad.

Kästner, Tucholsky, Feuchtwanger, Marx, Freud, Einstein, Brecht, Döblin, Remarque

Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nazis auf dem Opernplatz (dem heutigen Bebelplatz), gegenüber vom Hauptgebäude der Friedrich-Wilhelms-Universität, unter dem Jubel von Augenzeugen rund 25.000 Bücher, die als "undeutsch" galten. Darunter befanden sich sowohl Romane etwa von Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Lion Feuchtwanger als auch wissenschaftliche Schriften von Karl Marx, Sigmund Freud und Albert Einstein.

Aktionskünstler Kastner brennt auf dem Münchner Königsplatz ein Loch in den Rasen (Foto: picture-alliance/dpa/Inga Kjer)
Verbrannter Rasen zur Erinnerung: Aktionskünstler Wolfram Kastner auf dem Münchner KönigsplatzBild: picture-alliance/dpa/Inga Kjer

Die "Aktion wider den undeutschen Geist" hatten die Nationalsozialisten in mehr als 20 deutschen Städten veranstaltet. Deshalb wurde auch in vielen dieser Kommunen an die Bücherverbrennung erinnert - auf dem Münchner Königsplatz etwa mit einer Kunstaktion. Der Künstler Wolfram Kastner verbrannte ein Stück Rasen - genau dort, wo die Bücher verfemter Autoren 1933 brannten. "Über die Geschichte darf kein Gras wachsen", erklärte Kastner. Anschließend lasen Freiwillige aus Büchern der damals sogenannten "Reichsfeinde", darunter Bertolt Brecht, Heinrich und Klaus Mann, Alfred Döblin und Erich Maria Remarque.

sti/kle (dpa, epd, kna)