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Akademische Förderung für Hidden Champions

23. November 2017

An der Managementhochschule ESMT in Berlin ist ein neues Institut eröffnet worden. Es will die heimlichen Weltmarktführer, auf denen Deutschlands Erfolg fußt, erforschen und weiterbilden. Sabine Kinkartz berichtet.

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Deutschland esmt - European School of Management and Technology in Berlin
ESMT: Die European School of Management and Technology in BerlinBild: ESMT

Was würde es für die jeweilige Wirtschaftsleistung bedeuten, wenn man Frankreich, Tschechien oder Griechenland die Hauptstadt nehmen würde? Es wäre ein herber Verlust. Das Bruttoinlandsprodukt würde sich pro Kopf auf einen Schlag um 14 bis 20 Prozent verringern. Das hat das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft errechnet. In sehr vielen EU-Ländern ist die jeweilige Hauptstadt ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor. Nicht so in Deutschland. Hier ist das Gegenteil der Fall. Berlin drückt die deutsche Wirtschaftskraft, sie wäre ohne die Hauptstadt 0,2 Prozent höher.

Das liegt daran, dass Deutschlands Wirtschaftsstruktur fundamental anders gelagert ist als die anderer europäischer Länder. Die Bundesrepublik hat einen sehr großen und erfolgreichen Mittelstand. Viele Firmen sind hoch spezialisiert, produzieren für Nischenmärkte und sind dort nicht selten Europa- oder sogar Weltmarktführer. Doch zuhause sind sie nur selten in den großen Städten, sondern viel häufiger in kleinen Orten bis hin zu ländlichen Gebieten. Zusammen aber machen sie die enorme Wirtschaftskraft Deutschlands aus.

Versteckte Gewinner

Der Wirtschaftsprofessor und Unternehmensberater Hermann Simon prägte für diese Unternehmen 1990 den Begriff "Hidden Champions", versteckte Gewinner. "Das ist ein Unternehmen das in seinem Markt zu den Top drei der Welt gehört oder Marktführer in Europa ist, weniger als fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr macht und einen geringen Bekanntheitsgrad im Publikum hat", definiert Simon. In Deutschland trifft das auf 1.300 Unternehmen zu.

Oft sind es Familienunternehmen in zweiter und dritter Generation, die nicht für private Konsumenten, sondern für andere Wirtschaftsunternehmen produzieren. Eng auf die Wünsche ihrer Kunden fokussiert, mit denen Produkte und Dienstleistungen gemeinsam weiterentwickelt werden. Weltweit werden diese Firmen immer erfolgreicher. Hermann Simon geht davon aus, dass er seine Definition bald anpassen und den Umsatz auf zehn Milliarden Euro erhöhen muss. Zum Vergleich: Das kleinste der sogenannten "Global 500 Unternehmen" hat derzeit einen Jahresumsatz von rund 25 Milliarden US-Dollar.

Interessantes Forschungsobjekt

Obwohl die versteckten Gewinner das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind, sind sie von der Wissenschaft noch kaum erforscht. Das soll sich nun ändern. Die European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin hat das HCI, das weltweit erste Hidden-Champions-Institut gegründet. Es soll praxisnahe Forschung, Weiterbildung und den Diskurs zwischen Hidden Champions, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen bringen. Was macht diese Unternehmen so erfolgreich? Warum wird der eine Mittelständler Weltmarktführer, der andere nicht? Fragen, die inzwischen weltweit auf Interesse stoßen.

Denn auch in anderen Ländern entwickeln sich erfolgreiche Mittelständler. Noch kommen mehr als 50 Prozent der Hidden Champions weltweit aus Deutschland. Für Sabine Rau, Gründungsdirektorin des HCI hat das ganz viele Gründe. "Das liegt zum einen an einer exzellenten Ausbildung in Deutschland, an einer klaren technischen Orientierung", erklärt sie. "Es liegt aber letztlich zum Beispiel auch daran, dass bestimmt politische Rahmenbedingungen die Hidden Champions nicht hindern, wie das in anderen Ländern der Fall ist."

Viele Herausforderungen warten

Globalisierung, Innovation, Digitalisierung, das sind die Punkte, mit denen sich auch erfolgreiche Unternehmen unbedingt auseinandersetzen müssen. Auch dabei will das HCI behilflich sein. "Es soll Hidden Champions und jene, die es werden wollen, darin unterstützen, die kommenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft als Chance nutzen zu können und ihre Wettbewerbsvorteile zu stärken", sagt Rau. So soll es beispielsweise für Geschäftsführer und Manager maßgeschneiderte Weiterbildungsmöglichkeiten geben.

Alexander Knauf, geschäftsführender Gesellschafter der Knauf Gips KG, findet das gut. "Diese Unternehmensgattung tickt anders, denkt anders und benötigt auch anders qualifizierte Mitarbeiter", analysiert Knauf, dessen Unternehmen in dritter Generation Bausysteme auf Gipsbasis produziert und in mehr als 86 Ländern an über 220 Standorten mit Produktionsstätten und Vertriebsorganisationen vertreten ist. "Meine Erfahrung ist, dass die Lehre an den meisten Hochschulen oft zu allgemeingültig aufgebaut ist und eher zu Großunternehmen passt", kritisiert Knauf. "Es fehlen die Besonderheiten, die die DNA von Hidden Champions ausmachen." 

Russland 90er Jahre Tiefengrund-Produkte in Moskau
Zu den Auslandsniederlassungen von Knauf Gips gehört auch dieses Werk im russischen Krasnogorsk.Bild: picture-alliance/dpa/Belousov

Besondere Führungskultur

Der Unternehmer setzt darauf, dass das neue Berliner Institut einen anderen Weg gehen wird. "Das HCI muss die echten Stellhebel für den außerordentlichen Erfolg von Hidden Champions erfassen und die Absolventen der Hochschule auf eine Karriere in einem solchen mittelständischen Marktführer vorbereiten." Wirtschaftsprofessor Hermann Simon sieht das genauso. Das Institut müsse unbedingt zwei Ebenen miteinander verbinden: Die Strategieebene, auf der es um Planung, harte Zahlen und Fakten gehe und die Führungsebene.

Auf der spielen Motivation und Unternehmenskultur eine große Rolle. "Meine Erfahrung aus den letzten 30 Jahren ist, dass die Wurzel des Erfolgs in den Führungspersönlichkeiten liegt", so Simon. Erfolgreiche Unternehmen haben eine sehr ausgeprägte Führungskultur, die von allen Mitarbeitern geteilt wird. Es geht um Motivation, um eine spezielle Unternehmenskultur. Die nur durch Kontinuität entstehen kann. Während die Fluktuationsrate auf der Führungsebene in Großunternehmen bei sechs Jahren liegt, bleiben die Chefs erfolgreicher Mittelständler durchschnittlich 20 Jahre am Ruder.