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Ahmadinedschads Brief: Scharfe Kritik an den USA

9. Mai 2006

In seinem Brief an US-Präsident George W. Bush kritisiert der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Außenpolitik der USA, bietet jedoch keine Lösungsansätze für den Atomstreit.

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Versöhnliche Töne sind in Ahmadinedschads Brief kaum zu findenBild: AP
Präsident George Bush
George W. Bush zeigte sich unbeeindruckt von dem BriefBild: AP

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad wartet nach eigenen Angaben auf eine Reaktion auf seinen Brief an US-Präsident George W. Bush. Von der Art der Reaktion werde das weitere Vorgehen seiner Regierung abhängen, sagte Ahmadinedschad am Dienstag (9.5.2006) vor seinem Abflug nach Indonesien, wo er an einem Gipfel von Entwicklungsländern teilnehmen sollte. In dem 18-seitigen Text wird überwiegend angebliches Fehlverhalten der USA angeprangert. Insbesondere findet sich kein Vorschlag für eine Lösung des Atomstreits.

"Mit Blut befleckt"

Der ausschweifende Brief, der der Nachrichtenagentur Reuters vorlag, befasst sich zudem mit Israel, den Anschlägen vom 11. September 2001 und Bushs Glaube an die Lehren Jesu. Allgemein fordert Ahmadinedschad, dass gemeinsame religiöse Werte das politische Leben bestimmen müssten. Er scheint Parallelen zu ziehen zwischen dem US-geführten Einmarsch in den Irak 2003 und US-Drohungen gegen den Iran. Wissenschaftliche Forschung sei "eines der Grundrechte von Staaten", heißt es zudem.

Die USA hätten gelogen, um den Irak-Krieg zu begründen, schreibt Ahmadinedschad in dem auf Persisch verfassten Brief. Nun müssten sie die Konsequenzen tragen. "Im Fall des Iraks wurden Lügen erzählt. Was war das Ergebnis? Ich habe keine Zweifel, dass Lügen in jeder Kultur verabscheuungswürdig sind, und dass Sie nicht gerne angelogen werden." Der Krieg habe die USA Milliarden von Dollar gekostet und zehntausende US-Soldaten in Gefahr gebracht. Soldaten, deren "Hände mit dem Blut von anderen befleckt sind" und die "unter so einem starken psychologischen Druck stehen, dass jeden Tag einige von ihnen Selbstmord begehen."

"Massenvernichtungswaffen als Vorwand"

"Unter dem Vorwand der Existenz von Massenvernichtungswaffen begab es sich, dass diese große Tragödie beide Völker befiel, das der Besatzer und das der Besetzten. Später wurde enthüllt, dass es von Anfang an keine Massenvernichtungswaffen gegeben hatte", schreibt Ahmadinedschad laut Agenturangaben weiter. Der Iran steht unter internationalem Druck, seine Uran-Anreicherung aufzugeben. Mehrere westliche Staaten befürchten, dass das Land insgeheim an Atomwaffen arbeitet. Der Iran hat dies zurückgewiesen und erklärt, sein Atomprogramm diene nur friedlichen Zielen.

Ahmadinedschad stellt in dem Brief auch die Gründung Israels nach dem Zweiten Weltkrieg in Frage: "Wie kann man dieses Phänomen rational begründen oder erklären?" Zudem sei ihm nicht klar, wie man dagegen sein könne, dass die radikal-islamische Hamas die neue Palästinenser-Regierung stellt. Schließlich sei diese von den Palästinensern gewählt worden. Ahmadinedschad hatte zuvor dazu aufgerufen, Israel "von der Landkarte zu wischen" und wiederholt den Holocaust geleugnet. Die Hamas setzt sich für die Vernichtung Israels ein.

"Allmächtiger Gott"

Auch stellt Ahmadinedschad in Frage, wie die Anschläge vom 11. September 2001 ohne das Wissen des US-Geheimdienstes hätten ausgeführt werden können. "Warum sind verschiedene Aspekte der Angriffe geheim gehalten worden? Warum erfahren wir nicht, wer in seiner Zuständigkeit versagt hat?"

Das westliche Modell erklärt er für gescheitert: "Liberalismus und Demokratie nach westlichem Muster waren nicht in der Lage, die Ideale der Menschheit zu verwirklichen. Heute sind diese beiden Konzepte gescheitert. Die Einsichtigen können schon hören, wie die Ideologie und das Gedankengut des liberalen demokratischen Systems zerbrechen und untergehen."

"Die Menschen werden unsere Amtszeiten als Präsidenten genau prüfen", schreibt der iranische Präsident weiter an Bush. "Haben wir es geschafft, dem Volk Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu bringen, oder Unsicherheit und Arbeitslosigkeit?" Habe man sich die Gerechtigkeit zum Ziel gemacht oder habe man nur Interessenverbände unterstützt, fragt Ahmadinedschad. Habe man einige wenige Menschen reich und mächtig gemacht, in dem man viele gezwungen habe, in Armut und Not zu leben? "Mir ist gesagt worden, dass Ihre Exzellenz (Bush) den Lehren Jesu folgt und an das göttliche Versprechen einer Herrschaft der Gerechten auf Erden glaubt", schreibt Ahmadinedschad. "Wir sehen mehr und mehr, dass die Menschen in der ganzen Welt zu einem zentralen Punkt zusammenströmen - das ist der allmächtige Gott", heißt es weiter. "Meine Frage an Sie lautet, 'Wollen Sie sich ihnen nicht anschließen?'"

Keine Lösung im Ringen um Resolution

Das US-Präsidialamt hatte den Brief am Montag erhalten, jedoch zunächst nicht veröffentlicht. In US-Kreisen zeigte man sich skeptisch und sprach von einem Ablenkungsmanöver. Ein europäischer Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte, sprach dagegen von einem "weiteren taktischen Meisterstück", das Vertreter der US-Regierung "sehr nervös" gemacht habe.

Unterdessen bezweifelte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, dass es im Ringen um eine neue Iran-Resolution im UN-Sicherheitsrat eine rasche Lösung geben werde. Nach einem Treffen mit den Außenministern der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats in New York sagte Steinmeier, er gehe davon aus, dass es noch 10 bis 14 Tage bis zu einer Einigung dauern könne. Vor allem China bekräftigte seinen Widerstand gegen eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta, mit der dem Iran Sanktionen angedroht werden sollen. Steinmeier sagte im ZDF-"Morgenmagazin", es dürfe kein Automatismus in Gang gesetzt werden, "der nachher nicht mehr beherrschbar ist". Dies hätten alle Seiten zugesichert. (stu)