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Effiziente Agentenabwehr bleibt wohl auf Technik beschränkt

Wolfgang Dick24. Juli 2014

Die Bundesregierung reagiert auf die mutmaßlichen Spionagefälle in Deutschland: Künftig soll sich die Spionageabwehr auch gegen befreundete Geheimdienste richten. Doch dazu ist nicht nur mehr Geld nötig.

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Radarkuppeln (Radome) auf dem Gelände der Bad Aibling Station bei Bad Aibling (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer die Spionageabwehr in Deutschland ausbauen möchte, wird sehr viel mehr Personal und Geld benötigen als bisher, sind sich Experten aus Sicherheitskreisen einig. Die Mittel und damit die Möglichkeiten werden beschränkt bleiben, so lauten die Einschätzungen. Natürlich könne die Bundesregierung die finanziellen Mittel für den Bundesnachrichtendienst (BND) oder das Bundesamt für Verfassungsschutz einfach aufstocken. Der Bundestag würde bei der Regierungsmehrheit von CDU/CSU und SPD im Parlament auch keine Schwierigkeiten machen. Der Bundesfinanzminister müsste allerdings auf die Suche nach den Zusatzgeldern gehen. Im Haushalt ist dahingehend noch nichts eingeplant.

Bisher liegt der Fokus der deutschen Spionageabwehr auf Ländern wie Russland, China oder dem Iran. Die Entscheidung, nun auch gen Westen zu blicken, soll nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" von Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière und Außenminister Frank-Walter Steinmeier getroffen worden sein.

Rigides Vorgehen unwahrscheinlich

Selbst wenn die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt würden, ist bei den betroffenen deutschen Geheimdiensten noch nicht klar, wie das Ziel einer verstärkten Spionageabwehr im Detail umgesetzt werden und wie die von Bundesinnenminister Thomas de Maiziére angesprochene 360-Grad-Überwachung genau aussehen soll. Das Bundesinnenministerium macht auf Anfrage offiziell keine näheren Angaben. Ebenso halten sich der BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz derzeit komplett zurück.

So bleibt auch offen, wie weit eine politische Entscheidung tatsächlich schon getroffen ist. Pläne scheint es jedenfalls zu geben. Ein rigideres Vorgehen gegen Spionageaktionen in Deutschland war schon einmal im Gespräch: Anfang der 1990er Jahre. Damals war Bernd Schmidbauer Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt von Helmut Kohl. Aus Rücksicht auf das deutsch-amerikanische Verhältnis wurden die Überlegungen für eine verschärfte Spionage-Gegenwehr wieder fallen gelassen.

Was überhaupt möglich wäre

Geheimdienstexperten aber ahnen, wie das Vorgehen gegen befreundete Geheimdienste aussehen könnte. Einer von ihnen ist Erich Schmidt-Eenboom, der sich viele Jahre mit den Strukturen der Dienste beschäftigt hat. Er macht darauf aufmerksam, dass Spionageabwehr entweder rein technisch über Datenüberwachung oder auf dem Weg der klassischen Spionage erfolgen kann. Den Vorschlag, dass der BND tatsächlich in den USA oder in Großbritannien aufdeckt, wo und welche Spione dieser Länder in Deutschland tätig sind, hält Eenboom für eine Illusion.

Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom (Foto: imago)
Geheimdienstexperte Erich Schmidt-EenboomBild: imago stock&people

Beim BND gebe es zu viele amerikafreundliche Mitarbeiter. "Der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland wird nicht durch Personen in der Spionageabwehr riskieren, seine Kooperation mit der CIA in vielen Ländern zu verlieren." Eenboom verdeutlich am Beispiel Taiwan das Kräfteverhältnis: "Wenn dort zwei Mitarbeiter des BND arbeiten, stehen ihnen 300 vom CIA gegenüber." Man bleibe besonders bei der Terrorabwehr auf die USA angewiesen. Auch illegale Waffenexporte deutscher Firmen kämen häufiger durch amerikanische statt durch deutsche Aufklärung ans Tageslicht.

Was bliebe, wäre die Spionageabwehr auf rein technischem Wege. "Die ist relativ einfach und auch kostengünstig zu realisieren", so Schmidt-Eenboom. "Das funktioniert ja auch schon recht gut". Selbst bei verschlüsselter Kommunikation würde man wenigstens Metadaten erhalten. "Wirklich viel bringt das aber nicht", lautet die Einschätzung von Eenboom, die in Sicherheitskreisen mehrheitlich geteilt wird. Dort heißt es, Deutschlands Spionagekontrolle werde defensiv bleiben.

Die 360-Grad-Abwehr

Der Begriff 360-Grad-Abwehr suggeriert, Deutschland wolle künftig Spionen aller Länder schärfer begegnen. "Das wird kaum möglich sein", sagt Erich Schmidt-Eenboom. "Dann müsste man anders gewichten und China oder Russland vernachlässigen." Das sei schwierig. Der Blick dürfte sich also vorwiegend auf Großbritannien und die USA richten. Das Verhältnis zwischen dem britischen Premier James Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als sehr angespannt. Die USA interessiert vor allem Deutschlands Verhältnis zu China, dem Hauptrivalen der USA auf den Weltmärkten.

Spionageaktivitäten der übrigen EU-Länder spielen eine untergeordnete Rolle. Frankreich, früher sehr an Entwicklungen der Rüstungstechnik interessiert, ist täglich über intensive politische Kontakte und das deutsch-französische Unternehmen EADS sehr eng mit Deutschland verbunden. Und Spionage ist seit Mitte der 1990er Jahre kaum noch feststellbar.