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Afrikas Traum von der Einigkeit

Ludger Schadomsky25. Mai 2013

Die Afrikanische Union wird 50. Gegründet als Organisation für Afrikanische Einheit kämpfte der Bund gegen Kolonialismus und Apartheid in Südafrika. Seit Ende des Kalten Krieges sucht die AU eine neue Identität.

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Delegierte auf dem AU-Gipfel in Addis Abeba 2012 (Foto: epa)
Delegierte auf dem AU-Gipfel in Addis Abeba 2012Bild: picture-alliance/dpa

Eine afrikanische Kontinentalunion, wirtschaftlich stark und politisch autonom - diese Vision hatte Kwame Nkrumah schon 1958. Gerade mal ein Jahr war es her, dass er die britische Kronkolonie "Goldküste" - das heutige Ghana - in die Unabhängigkeit geführt hatte. Nun Präsident des westafrikanischen Landes, rief Nkrumah ein Gipfeltreffen afrikanischer Staatschefs ein. Der Einladung konnten zu jener Zeit allerdings nur acht Vertreter folgen - die übrigen Länder emanzipierten sich erst nach und nach von kolonialer Fremdbestimmung.

Afrika schüttelt koloniale Fesseln ab

Fünf Jahre später, am 25. Mai 1963, hatte Nkrumahs Vision Anhänger in ganz Afrika gefunden. Vertreter aus 30 Staaten versammelten sich in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba auf dem Gründungskongress der Organisation für Afrikanische Einheit - kurz OAE oder englisch OAU. Der Zuspruch sei ein deutliches "Zeugnis für das unwiderrufliche Streben der Bürger nach Unabhängigkeit", rief der charismatische Ghanaer und "Vater des Panafrikanismus" den Versammelten zu. Afrika sei dabei, sich endgültig vom Joch des Kolonialismus zu befreien. Gleichzeitig wusste Nkrumah um die Erwartungshaltung der Menschen zwischen Kap und Kairo: "Ein gesamter Kontinent hat uns das Mandat gegeben, auf dieser Konferenz die Grundlage für unsere Einheit zu legen". Schließlich regierte in Südafrika weiter ein weißes, rassistisches Minderheitenregime.

Ghanas Ex-Präsident Kwame Nkrumah (1909-1972) (Foto: Getty Images)
Ghanas Ex-Präsident Kwame NkrumahBild: Getty Images

Doktrin der Nichteinmischung

Die Hauptdoktrin des neuen Bündnisses: die Nichteinmischung in die Angelegenheiten der neuen souveränen afrikanischen Nationalstaaten. Das Prinzip wurde zunächst gefeiert, entpuppte sich aber bald als Fluch - und bedeutete schließlich das Ende der OAU. Die euphorische Aufbruchstimmung der späten 1960er Jahre musste bald Militärputschen und Bürgerkriegen Platz machen - Afrikas Staatenlenker sahen tatenlos zu und ihre jährlichen Gipfeltreffen in Addis waren bald als "Club der Dikatoren" verschrien.

Ein ausschließlich für Weiße reservierter Strand in Kapstadt, aufgenommen am 19. August 1989 (Foto: dpa)
Ein ausschließlich für Weiße reservierter Strand in Kapstadt, 1989Bild: picture-alliance/dpa

Den Vorwurf, die OAU habe auf der ganzen Linie versagt, möchte AU-Experte Mengiste Desta jedoch nicht gelten lassen. Im Gegenteil: Die Organisation habe, gemessen an ihrem Auftrag, "sehr starke Zähne" bewiesen. "Ihr Gründungsmandat war es, den gesamten Kontinent vom kolonialen, rassistischen und dem Apartheidsystem zu befreien", sagt der ehemalige äthiopische Diplomat, der kürzlich ein Buch über die AU veröffentlicht hat.

1989 fällt der Eiserne Vorhang, wenige Jahre später feiert Südafrika das Ende der Apartheid. Damit habe das afrikanische Zweckbündnis seine Daseinsberechtigung verloren, sagt Mehari Maru vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Addis Abeba. "Das Ende von Kolonialismus und Apartheid ebneten den Weg für die Diskussion: Was sind die neuen Fragestellungen für den Panafrikanismus?", so Mehari. Dafür sei ein Einschnitt nötig gewesen und die Gründung einer neuen Institution. Die Afrikanische Union war geboren. Die Umbenennung zur AU erfolgte formal im Jahr 2002 im südafrikanischen Durban.

Das Emblem der Afrikanischen Union (Quelle: Wikipedia)
Das Emblem der Afrikanischen UnionBild: gemeinfrei

Von OAU zu AU - zu den Vereinigten Staaten von Afrika?

Die neue Aufgabe der Union: die wirtschaftliche Integration und die - zögerliche - Demokratisierung der Mitgliedstaaten. Fortan sollte das Prinzip der Nichteinmischung einer aktiven Politik der Rechtstaatlichkeit Platz machen. Als Steuerungselemente fungierten die 2001 gegründete "Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" (NEPAD), und der so genannte "African Peer Review Mechanism", ein freiwilliges Kontrollinstrument guter Regierungsführung.

Ausgerechnet der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, selbsternannter "König der Könige" Afrikas, forcierte Mitte der 1990er Jahre Nkrumhas Vision der "Vereinigten Staaten von Afrika" - wenn auch weniger aus philosophischen, denn aus machtpolitischen Motiven. Sein Plan einer Union mit einer vereinten Armee, einer Gemeinschaftswährung sowie Handels- und Reisefreiheit nach dem Vorbild der Europäischen Union brachte Afrika jedoch mehr Zwist als Einigkeit. Denn er spaltete die Staaten in zwei Lager, wobei sich das politische Schwergewicht Südafrika gegen Gaddafi positionierte.

Libyens Ex-Machthaber Gaddafi auf einem Plakat zum AU-Gipfel 2005 in Sirte (Foto: Getty Images)
Libyens Ex-Machthaber Gaddafi auf einem Plakat zum AU-Gipfel 2005 in SirteBild: AFP/Getty Images

2009 wurde der libysche Machthaber beim Gipfeltreffen in Addis Abeba nach dem Rotationsprinzip zum AU-Präsidenten ernannt. Unvergessen bleibt, wie Gaddafis AU-Botschafter Journalisten die Enttäuschung des Revolutionsführers und Verfassers des "Grünen Buches" über die schwache Gegenliebe der Afrikaner ausrichten ließ. "Enttäuschend" sei das, aber "man werde schon eines Tages dem gemeinsamen Ziel der 'Vereinigten Staaten von Afrika' näher kommen".

Frauenpower aus Südafrika

Auch wenn ihre Wahl umstritten war und einmal mehr die Gräben innerhalb des Staatenbundes aufzeigte: Mit der südafrikanischen Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma hat die AU seit 2012 nicht nur die erste Frau an der Spitze der Kommission, sondern auch eine Reformerin, die sofort ankündigte, die AU "effektiver" machen zu wollen. Sie wird die Politik des Bündnisses - durch Suspension oder Sanktionen abzustrafen - fortsetzen. Zum Testfall für die Durchschlagskraft der Union werden dabei neben der von Rückschlägen begleiteten Mission in Somalia AMISOM auch die Krisen im westafrikanischen Mali und der Zentralafrikanischen Republik.

AU-KommissionspräsidentinDlamini-Zuma (Foto: Reuters)
AU-Kommissionspräsidentin Dlamini-ZumaBild: Reuters

Für Mehari Maru vom Institut für Sicherheitsstudien ist Afrika "heute viel demokratischer als noch vor zehn Jahren, als wir weniger demokratisch gewählte Regierungen hatten". Doch müsse sich nun eine "Demokratie der guten Regierungsführung" entwickeln - und das stehe nach wie vor aus. Es mangele an Demokratie und der Anerkennung von Meinungsvielfalt. Das sei nach wie vor für die "meisten politischen Probleme Afrikas verantwortlich", so Mehari.

Deutsche Unterstützung

Wenn die AU am Samstag (25.05.2013) den Festakt unter anderem mit einem Fußballmatch zwischen den Gründungsmitgliedern Äthiopien und Sudan begeht, dann feiert auch Deutschland mit - unterstützt Berlin doch seit Jahren den wichtigen Friedens- und Sicherheitsrat der AU mit Ausbildungsmaßnahmen. Auch wenn das mit deutschen Mitteln errichtete Gebäude des Rates zum Jubiläum noch nicht bezugsfertig ist, zieht Egon Kochanke, Afrikabeauftragter des Auswärtigen Amtes, ein überwiegend positives Fazit: Die Ziele, die sich der damalige tansanische Präsident Julius Nyerere und Kwame Krumah vor 50 Jahren gesteckt hätten, nämlich Afrika politisch und wirtschaftlich zu entwickeln, und einen gemeinsamen Rechtsraum zu schaffen, seien nicht vollends erreicht. Doch sei die AU "momentan sehr stark darin, in außen- und sicherheitspolitischen Dingen zu agieren", so der ehemalige Botschafter in Namibia.

Der deutsche Bundespräsident Gauck in Äthiopien (Foto: Getty Images)
Der deutsche Bundespräsident Gauck in ÄthiopienBild: Getty Images

Zu ihrem 50. Jahrestag gibt sich die AU jedenfalls demonstrativ selbstbewusst: Als Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem jüngsten Besuch in Addis Abeba der Kommissionsvorsitzenden Dlamini-Zuma zusätzliche deutsche Soldaten für die Mali-Mission anbot, winkte diese lässig ab. "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" ist der Slogan, den sich die Afrikaner auf die Fahnen geschrieben haben. Daran werden sie sich die kommenden 50 Jahre messen lassen müssen. Mit dem französischen Präsidenten François Hollande wird übrigens nur ein westlicher Staatschef zum Festakt anreisen. Wer will, mag dies als Indiz für die Wertigkeit sehen, die man dem Staatenbund zumisst. Bezeichnenderweise waren es französische Elitetruppen, die den islamistischen Vormarsch in Mali stoppten - von der seit Jahren angekündigten schnellen Eingreiftruppe der AU ist weit und breit nichts zu sehen.