Mädchen gründet Hilfsverein
21. April 2014Auf jedem Teller liegt eine Kartoffel - keine üppige Mahlzeit und noch dazu die erste seit zwei Tagen. Doch die Augen der Kinder sprühen vor Lebensfreude und Neugierde: Wer ist die junge Frau, die sich da zu uns setzt?
Rahel Gogolin kann sich noch genau an ihren ersten Besuch im Waisenhaus von Kitale, einer Großstadt im Westen Kenias, erinnern. Das war im vergangenen Jahr. In Kenia ist die junge Deutsche zu diesem Zeitpunkt, weil sie nach ihrem Abitur für drei Monate als Aushilfslehrerin in einer christlichen Grundschule arbeitet. Das Waisenhaus lernt sie bei einem Wochenendausflug kennen und kommt mit Milly Dindi, der Leiterin, ins Gespräch.
Die Kenianerin, verheiratet und Mutter von drei Kindern, hatte 2010 mit der Arbeit begonnen - aus christlicher Überzeugung heraus. Und sie finanziert zu dieser Zeit alles aus eigener Tasche. Die ersten Gäste: Mädchen aus den Slums, ohne Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Rahel Gogolin lernt diese Mädchen kennen: "Manche sind vergewaltigt worden oder misshandelt, andere sahen sich gezwungen, in die Prostitution zu gehen, um überhaupt irgendwie überleben zu können."
Vergewaltigt, misshandelt, ohne Hoffnung auf Zukunft
Um Milly Dindi und ihre Arbeit besser kennenzulernen, besucht Gogolin regelmäßig die Einrichtung. Ihr fällt gleich auf: Hier fehlt Geld. Alles ist zwar sauber, aber die Kinder haben Hunger, es gibt nur zwei Betten für mehr als 20 Waisen, dazu ein paar zerfledderte Matratzen. Türen fehlen, die Wände könnten dringend einen Anstrich gebrauchen. Gogolin trifft die Entscheidung: Ich will Milly unterstützen, und wenn es im Monat nur 10 Euro sind. "Ich hatte mir auch gedacht, dass ich Zuhause in meiner evangelischen Gemeinde, einer Liebenzeller Gemeinschaft, um Spenden bitten könnte."
Wertvoll wie Gold und Edelsteine
Zurück in der Heimat, im fränkischen Dinkelsbühl, erzählt Gogolin vom Waisenhaus in Kitale. Doch: Einfach Geld zu sammeln und nach Afrika zu schicken, das funktioniert nicht. Mit Hilfe ihrer Eltern gründet sie den gemeinnützigen Verein "Havilah Hope". Havilah - so wird im ersten Buch der Bibel ein Land genannt, in dem Gold und Edelsteine zu finden sind. "Milly hat diesen Namen ausgewählt, weil sie in den verwaisten und missbrauchten Kindern kostbare Edelsteine sieht, die sie zum Glänzen bringen will."
Schnell wird ihr auch klar, dass sie dazu Partner benötigt: Gogolin sucht Paten und sammelt Spenden. Mit Erfolg: Mittlerweile unterstützen mehr als 20 Personen regelmäßig die Arbeit von "Havilah Hope". Jeden Monat kann die junge Frau dem Waisenhaus in Kitale etwa 750 Euro zukommen lassen.
Das kommt auch der kleinen Joy zugute. Das traumatisierte Mädchen, wurde in den Slums gefunden. Niemand wusste zunächst, wem dieses Kind gehört, das offensichtlich schon längere Zeit ohne Versorgung war. Obwohl Joy bereits zwei Jahre im Waisenhaus lebte, war sie apathisch, sprach nicht und lachte nie. Erst als sich Rahel Gogolin um sie kümmerte, konnte sie ihr ein erstes Lächeln entlocken. Deshalb bekam die kleine Joy den Zweitnamen Rahel.
Grundversorgung sichern
Für afrikanische Verhältnisse ist die regelmäßige Summe von 750 Euro ein wahrer Geldregen, der viel Gutes im Rahmen des Projekts wachsen lässt. Milly Dindi hält Rahel Gogolin über alle neuen Investitionen auf dem Laufenden: "Milly kann jetzt die Stromkosten bezahlen und den Kindern drei Mahlzeiten am Tag servieren. Jedes Kind hat außerdem drei neue Kleidungsstücke bekommen. Es gibt neue Betten und Matratzen. Milly hat sogar eine Grundschule eingerichtet und zusätzlich einen Volontär und ein Kindermädchen eingestellt."
Einen afrikanischen Träger für das Waisenhaus gibt es nicht. Unterstützt wird Milly Dindi in Kitale jedoch von einem pensionierten evangelischen Pastor. Der bezahlt die monatliche Miete in Höhe von 50 Euro. Den Rest der Kosten trägt "Havilah Hope". Gogolins Philosophie für all das ist simpel: "Ich finde einfach, als Kinder Gottes gehören wir zusammen, auch über Kontinente hinweg."
Eigene Existenz aufbauen
Inzwischen hat die heute 20-Jährige damit begonnen, sich ihre eigene berufliche Zukunft aufzubauen: Zurzeit absolviert sie ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ab Herbst will sie Sozialarbeit studieren.
Gerade erst erwachsen geworden, selbst noch ohne Berufsausbildung - und dennoch hält Gogolins Einsatz ein ganzes Waisenhaus in Afrika am Laufen. Auf die Frage, wie sich das anfühlt, sagt sie bescheiden: "Ich denke darüber gar nicht nach. Außerdem ist das nicht nur mein Verdienst. Ich hatte zwar die Idee, aber mittlerweile unterstützen so viele Leute 'Havilah Hope'. Ich weiß, allein hätte ich das niemals geschafft."