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Kein Englisch, keine Chance

Bianca von der Au29. Oktober 2007

Der Alltag von Afrikanern ist durch die Verwendung unterschiedlichster Sprachen geprägt. Doch in den meisten Ländern auf dem Kontinent dominieren im offiziellen Leben immer noch die Kolonialsprachen.

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Markt in Nairobi, Quelle: AP
Markt in Nairobi: Hier dürften Suaheli, Kikuyu und andere Sprachen dominierenBild: AP
Oft wird die Muttersprache nur in der Familie verwendet, Quelle: AP
Oft wird die Muttersprache nur in der Familie verwendetBild: picture-alliance/ dpa

Die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten in den 1950-er und 1960-er Jahren änderte nicht viel an der Vorherrschaft europäischer Sprachen auf dem Kontinent: Die Sprachen der ehemaligen Kolonialmächte sind bis heute oft die einzige gemeinsame Sprache eines Landes. Zwar werden von den 800 bis 900 Millionen Afrikanern rund 2000 Sprachen gesprochen, doch in den meisten Ländern ist Englisch, Französisch oder Portugiesisch die einzige offizielle Amtssprache.

Sprachen für den privaten Bereich

Im Alltag nutzen die Menschen unterschiedliche Regionalsprachen, je nach dem, ob sie mit ihrer Großmutter sprechen, mit Amtspersonen oder ob sie auf dem Markt sind. Dem müsse endlich Rechnung getragen werden, fordert der Sprachwissenschaftler Kofi Yakpo. Denn Demokratie und Sprache seien miteinander verknüpft - wenn nur die Kolonialsprache verwendet werde, könne der Großteil der Bevölkerung nicht wirklich partizipieren. "Afrikanische Sprachen müssen den Stellenwert bekommen, der ihnen entspricht", fordert er daher.

Doch von einer staatlich verordneten Sprachpolitik hält Kofi Yakpo wenig. Vielmehr sei es die Aufgabe der afrikanischen Bevölkerung, ihre eigenen Sprachen aus dem privaten Bereich in die Öffentlichkeit zu bringen - etwa durch lokale Radioprogramme, durch Buch-Übersetzungen oder das Herausgeben von Zeitschriften.

Hirtenlieder auf Tpuri

Grundschule in Mayange, Ruanda, Quelle: DW/Christine Harjes
Grundschule in Mayange, RuandaBild: DW/Christine Harjes

Genau das macht Kolyang Dina Taiwé. Mit wenig Geld, aber viel Engagement gibt der Informatik-Dozent seit sieben Jahren die Zeitschrift "Kaarang" heraus - darin werden Gedichte, Artikel und Kurzgeschichten in Tpuri veröffentlicht. Tpuri ist die Sprache seiner Großmutter - eine Stammessprache aus dem Norden Kameruns. Wie viele afrikanische Sprachen existiert sie allein in mündlicher Form - das wollte Kolyang Taiwé ändern. Denn der Zugang zu Sprache durch Text sei wichtig, glaubt er: "Das gibt eine andere Dimension an die Oralität, an das, was gesprochen wird, was sozusagen im Wind verschwindet."

Die Lieder der Hirten und der Bauern auf den Feldern hat Kolyang Taiwé, der lange Zeit an der Universität Bremen Informatik lehrte und an der Universität Ngaoundéré in Kamerun die Informatik-Abteilung aufbaute, schriftlich festgehalten. Dies bedeute den Menschen sehr viel, sagt er, denn plötzlich bekomme ihre eigene Sprache eine ganz andere Wertschätzung. Dies sei nicht nur wichtig für die Identität, sondern auch für die politische Handlungsfähigkeit. Denn wenn eine lokale Sprache auch in der Öffentlichkeit akzeptiert wird, können ganz andere Forderungen an die Regierung gestellt werden.

Taiwé wünscht sich, dass auch Bücher oder etwa Anleitungen von technischen Geräten in die Regionalsprachen übersetzt werden, denn sonst bleiben weiterhin große Teile der Bevölkerung von Wissen und vom technischen Fortschritt ausgeschlossen.

Ohne Englisch keine Chance

Für den Sprachwissenschaftler Kofi Yakpo transportiert jede Sprache zudem eigene Werte und politische Vorstellungen. Das Bewusstsein für die eigene Sprache und Identität kann - nach Ansicht Kofi Yakpos - zu einem größeren Verständnis untereinander führen. "Es ist ein komplexes Feld, und ich denke nicht, dass Sprache allein über Heil oder Unheil von Ökonomie oder politischen Systemen oder was auch immer entscheidet", sagt er. "Aber ich denke, dass es ein wichtiger Faktor ist, über Sprachpolitik überhaupt nachzudenken: Was ist das für ein demokratisches System, in dem man eigentlich nur mit Englischkenntnissen ins Parlament kommt?"

Kofi Yakpo ist nicht der Auffassung, dass europäische Sprachen komplett abgeschafft werden sollten. Vielmehr plädiert er für ein gleichberechtigtes Nebeneinander afrikanischer und europäischer Sprachen. Doch dies scheint ein schwer erreichbares Ziel zu sein, da der Großteil der afrikanischen Elite die ehemaligen Kolonialsprachen sehr gut, die eigenen afrikanischen Sprachen jedoch schlecht beherrscht.