Afrika als moralische Verpflichtung
19. Mai 2009Wenn sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas entscheide, wie Bundespräsident Köhler zu Beginn seiner Amtszeit sagte, dann heißt das umgekehrt: Entwicklung in Afrika zu befördern ist Aufgabe und moralische Verpflichtung der entwickelten Welt. Dafür hat sich Köhler in seiner Amtszeit auf allen Ebenen eingesetzt - in Afrika bei rund einem halben Dutzend Staatsbesuchen und gegenüber der Bundesregierung. Köhler gilt in Afrika als einer der wenigen Europäer, der Afrika kennt und der sich für den Kontinent einsetzt. In Deutschland hingegen wurde das außenpolitische Engagement des Bundespräsidenten für den Nachbarkontinent auch kritisiert.
Warnung vor Selbstgewissheit
Afrika hat den Bundespräsidenten gepackt und es lässt ihn nicht mehr los - schon seit seiner Zeit als Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF). Damals musste er im Auftrag der internationalen Finanzinstitutionen den Entwicklungsländern radikale Wirtschaftsreformen verkaufen und sie auf einen strikten Reformkurs verpflichten. Die Rezepte kamen in der Regel von außen.
Heute gehört Horst Köhler zu denen, die angesichts der Finanzkrise eine stärkere Teilhabe der Entwicklungsstaaten an der internationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik fordern. Immer wieder warnt er vor der Selbstgewissheit, dass Rezepte von außen Afrika wirklich wirkungsvoll helfen könnten. Man müsse genau zuhören und gemeinsam Politik machen, fordert der Bundespräsident: "Wir können uns kein Urteil über ein so genanntes Gesamtafrika erlauben, es gibt 1000 Afrikas. Entsprechend müssen wir auch unsere Politik differenzieren."
Eine differenzierte Politik, die Afrika nicht nur durch die entwicklungspolitische Brille sieht. Eine faire Handelspolitik weltweit, so dass Afrika seine Wirtschaftsentwicklung vorantreiben kann. Die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten vorbildlich zu unterstützen, das mahnt Köhler auch bei der deutschen Bundesregierung immer wieder an und hat sich damit nicht nur Freunde gemacht.
Köhler setzt vor allem auf Reformer und Macher in Afrika - wie den ehemaligen ghanaischen Präsidenten John Kufuor oder den ehemaligen mosambikanischen Präsidenten Chissano. Nicht alle seine Gesprächspartner - man blicke nur auf den ugandischen Präsidenten Museveni - sind lupenreine Demokraten. Bei seinem halben Dutzend offizieller Staatsbesuche in Subsahara-Afrika sprach Köhler dann stets Klartext und machte auch öffentlich aus seiner Ungeduld keinen Hehl, wenn Korruption und Vetternwirtschaft eine gerechte Beteiligung der jeweiligen Gesellschaft am Ressourcenreichtum ihrer Länder verhindern, so wie zum Beispiel im Fall Nigeria.
Partnerschaft mit Afrika
Im Gespräch müsse man trotz aller Schwierigkeiten und unterschiedlicher Perspektiven dennoch bleiben, fordert der Bundespräsident. Und erfand - gemeinsam mit der "Zeitstiftung" - gleich eine Reihe von Dialogveranstaltungen, mit denen er junge Eliten in Afrika und in Deutschland an einen Tisch bringen will. "Partnerschaft mit Afrika" heißt diese Veranstaltungsreihe und beschreibt damit ziemlich genau das große Ziel, das Köhler verfolgt: Mit Afrika in allen Politikbereichen partnerschaftlicher umzugehen.
"Euer Präsident wird dafür sorgen, dass Afrika wieder anders und positiver wahrgenommen wird in Europa", sagte ein junger Afrikaner bei einem der Partnerschaftsforen in Ghana. Und er ging wohl davon aus, dass Köhlers Vollmachten ebenso weit reichen wie die manches afrikanischen Präsidenten. Dem ist nicht so. Das Grundgesetz beschränkt die Vollmachten des deutschen Bundespräsidenten, er hat keinen direkten Einfluss auf die Außen- oder Wirtschaftspolitik. Doch indirekt hat Köhlers Afrika-Engagement ganz ohne Frage dafür gesorgt, dass Afrika in der deutschen auswärtigen Politik endlich einen anderen Stellenwert hat.
Unter der rot-grünen Bundesregierung, aber auch schon zuvor, waren deutsche Botschaften in Afrika zu reinen Laptop-Vertretungen heruntergespart worden. Und deutsche Politiker traten eher ein Dutzend Mal in Russland auf, bevor sie sich auf dem Nachbarkontinent blicken ließen. Heute hingegen ist Afrika offensichtlich wieder auf der Agenda bundesdeutscher Politik.
Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Klaudia Pape / Kay-Alexander Scholz