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Afghanistan bindet sich enger an Indien

5. Oktober 2011

Indien und Afghanistan haben einen Vertrag zur engeren Zusammenarbeit unterschrieben. DW-WORLD.DE sprach mit Jochen Hippler über die Auswirkungen dieser Zusammenarbeit auf die gesamte Region.

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Archivfoto: Friedensforscher Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. (Foto: picture-alliance/dpa)
Friedensforscher Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-EssenBild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Afghanistan und Indien haben einen strategischen Vertrag zur engeren Zusammenarbeit im militärischen und wirtschaftlichen Bereich unterschrieben. Kabul feiert diesen Vertrag als einen großen Erfolg. Zu Recht?

Jochen Hippler: Es ist natürlich für die afghanische Regierung ein Erfolg. Somit kann Afghanistan Indien als einen Partner, den das Land schon länger hat, noch stärker an sich binden. Es wird wirtschaftliche Vorteile bringen, zusätzliche Auslandshilfen bringen und vor allen Dingen den außenpolitischen Handlungsspielraum der Kabuler Regierung noch weiter diversifizieren. Das heißt, Afghanistan hat neben den USA einen weiteren wichtigen Partner gewonnen.

Indischer Ministeripräsident Manmohan Singh empfing afghanischen Präsident Hamid Karzai am 04. Oktober 2011 in Neu Delhi. (Foto: AP Photo/Gurinder Osan)
Indischer Ministeripräsident Manmohan Singh empfing afghanischen Präsident Hamid Karzai in Neu DelhiBild: dapd

Andererseits muss man aber sehen, dass Pakistan stets gegen eine engere Zusammenarbeit von Indien und Afghanistan war. Pakistan hat Grenzstreitigkeiten mit Indien und Afghanistan. Wie wird Islamabad nun reagieren?

Pakistan ist nicht sehr glücklich über diese Entwicklung ist. Das große Problem für Afghanistan ist nun, dass eine Lösung des Afghanistan-Konflikts gegen Pakistan wahrscheinlich unmöglich ist. Pakistan hat großen Einfluss auf die Aufständischen in Afghanistan. Die Gefahr ist tatsächlich, dass Pakistan jetzt Angst hat, in Afghanistan in den Hintergrund gedrängt zu werden. Islamabad könnte die Unterstützung für die Aufständischen verstärken, um zu beweisen, dass es ohne Pakistan keinen Frieden in Afghanistan geben kann. Zusammengenommen kann gesagt werden, dass der Vertrag mit Indien für Afghanistan einige neue Türen öffnet aber auch neue Risiken mit sich bringt.

Das heißt, dass dieser Vertrag vielleicht die Region noch mehr destabilisiert und die Konkurrenz um Rohstoffe verschärft?

Ich glaube, dass es für Indien und Pakistan weniger um die Rohstoffe in Afghanistan geht. Beide Länder haben das Ziel, einen freien Weg in die rohstoffreiche Region Zentralasiens zu schaffen. Dieser Weg führt über Afghanistan. Insofern glaube ich, dass ein Teil des indischen Interesses in Afghanistan auch darin besteht, Pakistan zu schwächen. Beide Länder, Indien und Pakistan, bekämpfen sich seit mehreren Jahrzehnten. Pakistan wird sicherlich nicht tatenlos zusehen, wie sich seine Rivalen in der Region verbünden. Eine weitere Verschärfung der Beziehungen zwischen Pakistan, Afghanistan und Indien ist durchaus möglich.

Die USA sollen Indien und Afghanistan dazu ermutigt haben, enger miteinander zusammenzuarbeiten. Suchen Washington, Dehli und Kabul den offenen Konflikt mit Pakistan?

Die Beziehungen zwischen Washington und Islamabad haben sich sehr deutlich verschlechtert. Das hat zum Beispiel mit den Drohnenangriffen oder mit der Tötung von Osama bin Laden zu tun, die hinter dem Rücken der pakistanischen Regierung durchgeführt wurde. Und es hat auch damit zu tun, dass Washington Indien schon seit einigen Jahren Pakistan vorzieht, teilweise aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen. Indien ist eben wirklich eine der aufsteigenden Wirtschaftsmächte nach China. Indien hat große Potenziale auch in der Elektronik und der Computer- und Softwareentwicklung. Pakistan ist dagegen für die USA nur eine Schachfigur auf dem Feld des Afghanistan-Kriegs. Islamabad sieht es natürlich nicht gern, dass sich die USA in der Region zunehmend mit Indien verbünden.

Wendet sich Pakistan jetzt noch mehr an China, um ein Gegengewicht zu bilden?

Das könnte eine der möglichen Reaktionen sein. Allerdings ist das Potenzial Pakistans, falls es sich noch stärker an China bindet, wahrscheinlich nicht so groß. China verfolgt eine sehr interessensgesteuerte Politik. Das heißt: China ist ein verlässlicher Partner, aber nur, wenn diese Partnerschaft dem eigenen Interesse dient. China wird sich nicht stärker in den Afghanistan-Krieg hineinziehen lassen, unabhänigig davon, was Pakistan will. Neben der Vertiefung der Beziehung zu China kann Pakistan aber auch anders reagieren. Islamabad könnte stärkere Unruhen in Afghanistan stiften und damit demonstrieren, dass die internationale Gemeinschaft beim Erreichen des Dauerfriedens in Afghanistan an Pakistan nicht vorbeikommt und Indien nicht als Ersatz für Pakistan ansehen kann.

Dr. Jochen Hippler ist Politikwissenschaftler und zurzeit Privatdozent am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Universität Duisburg-Essen.

Das Interview führte Ratbil Shamel
Redaktion: Hao Gui