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Achtung: Heißgetränke sind heiß!

Nicole Grün, Washington D.C.6. Februar 2009

Ein ärgerliches Missgeschick kann eine Woche lang humpeln lassen – und die kulturellen und rechtlichen Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika offenbaren.

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Bild: DW

Letzte Woche ist mir bei der Arbeit ein Sessel schmerzhaft auf den Fuß gekippt. "Blöd gelaufen", wäre der Kommentar in Deutschland. Nicht so in den USA: Als ich meinen Vermieter auf den Grund meines Hinkens aufmerksam mache, bekomme ich nicht etwa Mitleidsbekundungen zu hören, sondern den nüchternen Tipp: "Verklag doch deinen Arbeitgeber. Da springen locker 10.000 Dollar für dich raus", sagt er und überreicht mir kurzerhand die Visitenkarte seines Anwaltes. Kapital zu schlagen aus einer selbstverschuldeten Dummheit – das wäre mir im Traum nicht eingefallen. In Amerika ist das jedoch gang und gäbe.

Lange wunderte ich mich über den Hinweis auf Plastikbechern: "Heißgetränke sind heiß". Bis ich auf die Geschichte von Stella Liebeck stieß. Die damals 79-Jährige hatte sich bei McDonald’s einen Kaffee gekauft, ihn im parkenden Auto verschüttet und sich damit die Beine verbrüht. In einem Gerichtsprozess gegen die Fast-Food-Kette erstritt sich Liebeck 640.000 Dollar Schadensersatz – und inspirierte einen US-Journalisten dazu, jährlich die "True Stella Awards" zu verleihen, die Oscars für die verrücktesten Gerichtsfälle der USA.

Oscars für die verrücktesten Prozesse

Da ist zum Beispiel eine Beifahrerin, die sich bei einem Unfall schwere Verletzungen zugezogen hat, weil sie nicht angeschnallt war. Sie verklagte den Autohersteller Mazda daraufhin auf die Zahlung von mindestens 150.000 Dollar, weil dieser keine detaillierte Gebrauchsanleitung zur Benutzung des Sicherheitsgurtes beigelegt habe. Oder eine Shopperin, die aus dem Einkaufszentrum geht, von einem Eichhörnchen attackiert wird und auf der Flucht vor dem wilden Tier hinfällt. Sie forderte 50 000 Dollar Schmerzensgeld von dem Einkaufszentrum, weil es nicht mit Warnschildern auf die möglichen Gefahren durch Eichhörnchen hingewiesen hat. Krebskranke Raucher, die die Tabakindustrie um Milliarden Dollar erleichtern wollen, oder fettleibige Fastfood-Süchtige, die gegen McDonald’s vor Gericht ziehen, sind dagegen direkt einfallslos.

Weil auch die albernsten Klagen den betroffenen Unternehmen hohe Gerichtskosten, astronomische Schmerzensgeldzahlungen und schwer zu reparierende Imageschäden einbringen können, müssen auch sie sich etwas einfallen lassen: zum Beispiel abstruse Warnhinweise auf Verpackungen und Gebrauchsgegenständen. So findet sich in der amerikanischen Bedienungsanleitung für Rowenta-Bügeleisen der hilfreiche Hinweis: "Warnung! Bügeln Sie nie Kleidung, die Sie gerade am Körper tragen". Auf der Toilettenbürste in meinem Bad klebt ein Sticker mit der Aufschrift: "Nicht oral verwenden". Und um Schadensersatzforderungen im Falle eines Unfalls zu entgehen, warnt ein Traktorhersteller hierzulande gar mit dem Schild: „Gefahr! Tod ist zu vermeiden.“

Klage gegen Gott

In den USA kann also jeder Gott und die Welt praktisch aus jedem Grund verklagen. Um das zu demonstrieren, hat der ehemalige US-Senator Ernie Chambers tatsächlich Gott verklagt: Gott habe in der Bibel zugegeben, durch Katastrophen wie Überschwemmungen und Wirbelstürme "unter Abermillionen Erdbewohnern Tod, Zerstörung und Terror" verursacht zu haben. Vor knapp vier Monaten wies das Gericht von Omaha die Klage ab, doch nur aus folgendem Grund: Der Beschuldigte habe keine Adresse, an den die Anklageschrift gesendet werden könne.