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"Achse des Bösen" als Retter in der Not?

Ranty Islam13. November 2006

Neue Strategien zur Lösung des Irakproblems unterminieren die Grundfesten der bisherigen Politik von Präsident Bush: Gespräche mit dem Iran scheinen unumgänglich. Stabilität wird wichtiger als Demokratieförderung.

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Wann kommt der Abzug? US-Soldaten im IrakBild: AP

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad kann sich gegenwärtig entspannt zurücklehnen und in Ruhe betrachten, wie ein anderer Präsident seine Außenpolitik für ihn erledigt. Binnen fünf Jahren haben die USA unter Präsident George W. Bush Irans ärgste Gegner in den angrenzenden Ländern entweder beseitigt oder stark geschwächt: Saddam Husseins Regime im Irak, gegen den der Iran in den 1980er-Jahren acht Jahre Krieg führte, ist Vergangenheit. Und die den iranischen Shia-Mullahs feindlich gesonnenen sunnitischen Taliban, die bis zu ihrem Sturz 2001 Afghanistan regierten, straucheln dabei, ihren Einfluss im eigenen Land wieder aufzubauen.

In Teheran muss man sich ungläubig die Augen reiben: Nachdem die USA die Gegner des Iran aus dem Weg geräumt haben, könnte jetzt auch noch die US-Anfrage folgen, dass der Iran sich an der Stabilisierung des Irak beteiligt. Die Einbeziehung Irans und Syriens in Gespräche zur Befriedung des Irak halten Experten für unumgänglich. Auch die von Ex-US-Außenminister James Baker geführte Kommission "Iraq Study Group", die für den US-Präsidenten alternative Irak-Strategien ausarbeiten soll, befasst sich mit dieser Option. Am Montag (13.11.2006) traf sich Bush mit der Baker-Kommission das erste Mal. Er sei beeindruckt gewesen von den Mitgliedern und von der Qualität der Fragen, sagte Bush nach dem Gespräch mit dem Ausschuss.

Am Dienstag wird auch der britische Premierminister Tony Blair per Videoschaltung mit den Ausschussmitgliedern reden. Ihr Report, nach Angaben der "Washington Post" der "sehnlichst erwartete Bericht seit vielen Jahren", wird jedoch erst im Dezember vorliegen.

James A. Baker III
James Baker's Kommission erarbeitet eine neue Irak-StrategieBild: dpa

Iran profitiert von US-Politik

"Der Iran ist der große Gewinner", sagt Graeme Herd vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik. Mit ihrer desaströsen Irakpolitik habe sich die Bush-Administration aus eigenem Antrieb in die Abhängigkeit Irans begeben. "Der Iran hat starken Einfluss auf die schiitischen Milizen im Irak. Dass Teheran diesen nun im Sinne der USA geltend macht, wird Washington einiges kosten. US-Zugeständnisse beim iranischen Atomprogramm gehören mit Sicherheit dazu", so Herd.

Ein einfacherer Gesprächspartner könnte Syrien sein. "Das Land will endlich seinen Paria-Status loswerden. Schon aus wirtschaftlichen Gründen ist Syrien darauf angewiesen, weil das Land im Gegensatz zum Iran weniger eigene Ressourcen hat", sagt Henner Fürtig vom Deutschen Orient-Institut in Hamburg. Allerdings habe Syrien auch weniger Einfluss auf den Irak.

Die Alternative zu Gesprächen ist der Verbleib der US-Truppen, deren Rolle sich mittlerweile ohnehin darauf beschränkt, noch schlimmere Massaker und eine Implosion des Irak zu vermeiden. US-Soldaten, in schwer gesicherten Stützpunkten zusammengezogen, fahren nur noch in stark gepanzerten Fahrzeugen auf Kontrollmission. Direkter Kontakt mit Irakern, oder die ursprünglich geplante weitreichende Kooperation mit irakischen Sicherheitskräften ist in weite Ferne gerückt.

Scheitern im Irak stellt Antiterror-Krieg in Frage

Weit entfernt scheint auch der Plan, den Irak als Leuchtturm der Demokratie in der Region zu installieren - ursprünglich eines der Hauptziele des Krieges. Die Idee ist, genau wie die Riege ihren neo-konservativen Vordenker, in Washington in den Hintergrund gedrängt worden. Stattdessen spricht Präsident Bush lediglich von einer "Regierung, die regieren, sich verteidigen und erhalten kann". Stabilität statt Demokratie als erste Priorität ist offenbar auch Teil der Überlegungen einiger Mitglieder der Baker-Kommission, schreibt die "New York Times".

Wahlen in Irak Wahllokal in Basra
Ist Stabilität wichtiger als Demokratie?Bild: AP

Dass die Bush-Administration die Demokratisierung des Irak vorerst an den Nagel hängt und sich zudem mit der "Achse des Bösen" arrangieren muss, indem sie mit dem Iran spricht, kommt einem "Offenbarungseid" gleich, sagt Fürtig vom Orient-Institut. Als Teil des Krieges gegen den Terror war der Irakkrieg aus Sicht Washingtons ja gerade deshalb geführt worden, um Demokratie zu verbreiten und den Terrorunterstützern und "Schurkenstaaten" auf der "Achse des Bösen" entgegenzutreten. Nun scheint es, muss Präsident Bush beides aufgeben, um schleunigst aus dem Irak abziehen zu können. Graeme Herd kommentiert die aktuelle Entwicklung noch zugespitzter: Das strategische Scheitern im Irak stelle auch den gesamten Krieg gegen den Terror in Frage.