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Abstimmung über Rückgabe des Gazastreifens geplant

Bettina Marx, Tel Aviv31. März 2004

In Israel werden demnächst wohl die Mitglieder der Regierungspartei Likud über eine Rückgabe besetzter Palästinensergebiete entscheiden. Dadurch könnte Bewegung in den stockenden Nahost-Friedensplan kommen.

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Nur mit Waffengewalt zu schützen: israelische Siedlung im GazastreifenBild: AP
Scharon bricht USA-Reise ab
Ariel SharonBild: AP

Wenn die Mitglieder von Israels größter Regierungspartei Likud jetzt entscheiden müssten, dann würden sie sich für den Rückzugsplan ihres Parteichefs Ministerpräsident Ariel Scharon aussprechen. Das ergab eine Meinungsumfrage, die die israelische Tageszeitung "Yedioth Acharonoth" in Auftrag gegeben hat. Scharon hatte am Dienstagabend (30.3.) überraschend angekündigt, dass er die mehr als 200.000 Mitglieder des Likud über seinen Plan abstimmen lassen wolle. Er versprach, sich dem Votum der Partei dann in jedem Fall zu unterwerfen.

Räumung jüdischer Siedlungen

Scharons Plan, den er der überraschten Öffentlichkeit bereits im Dezember 2003 bei einer Sicherheitskonferenz vorgestellt hatte, sieht einen einseitigen israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen vor. Dabei sollen auch die jüdischen Siedlungen geräumt werden, in denen rund 7000 Israelis leben. Da Israel auf der palästinensischen Seite keinen Partner habe, werde es seinen Rückzug aus dem Gazastreifen ohne Absprache mit den Palästinensern planen und amerikanische Sicherheitsgarantien verlangen.

Mitte April 2004 will Scharon nach Washington reisen, um seinen Plan mit der amerikanischen Regierung zu besprechen. Im Anschluss daran sollen dann die Mitglieder des "Likud" ihre Stimme abgeben.

Streit in der Regierung

In seiner eigenen Regierung ist Scharon mit seinem Rückzugsplan auf heftigen Widerstand gestoßen. Die beiden ultrarechten Koalitionspartner National-Religiöse Partei und Nationale Union kündigten ihren entschiedenen Widerstand an. Im Zweifelsfall würden sie die Regierungskoalition verlassen, drohten sie.

Benjamin Netanjahu wird Außenminister Israels
Benjamin NetanjahuBild: AP

Auch unter den Likud-Ministern selbst sind die Meinungen geteilt: Scharons Stellvertreter, Industrie- und Handelsminister Ehud Olmert hat sich auf die Seite des Ministerpräsidenten gestellt. Außenminister Silvan Schalom dagegen lehnt den Scharon-Plan ab und macht dies auch in seinen politischen Gesprächen im Ausland deutlich. Finanzminister Benjamin Netanjahu machte seine Zustimmung von weitreichenden amerikanischen Zugeständnissen abhängig. So müsse Washington im Gegenzug zu einem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen die großen israelischen Siedlungsblocks und den Sperrwall im Westjordanland anerkennen. Außerdem müsse die amerikanische Regierung eine Garantie dafür abgeben, dass es kein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge nach Israel geben werde. Diesen Forderungen schlossen sich auch andere Minister des "Likud" an.

Scharons Plan

Scharon hofft, dass die Mitglieder des "Likud" ihm und den Befürwortern seines Plans Rückendeckung geben und seine Position gegen die Kritiker in den eigenen Reihen stärken werden. Die Abstimmung unter den Likud-Mitgliedern soll innerhalb von drei Wochen nach seinem Besuch in Washington durchgeführt werden.

Im politischen Israel stieß dieses Vorgehen auf ein geteiltes Echo. Die Opposition wirft Scharon vor, ...... von seinen schweren Problemen im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen ablenken zu wollen. Die oberste israelische Staatsanwältin Edna Arbel hatte dem Rechtsberater der Regierung empfohlen, Scharon wegen Korruption und Bestechlichkeit anzuklagen. Es wird erwartet, dass der Rechtsberater, der auch als oberster Ankläger des Staates fungiert, innerhalb von einigen Wochen, höchstens Monaten eine Entscheidung fällen wird. Scharon wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Außenminister die Geschäftsinteressen seines Freundes, des Bauunternehmers David Appel gefördert zu haben. Appel soll Scharon dafür nicht nur finanziell unterstützt haben, er hat auch Scharons Sohn Gilad beschäftigt und soll ihm ein extrem überhöhtes Gehalt für zweifelhafte Leistungen bezahlt haben.

Tote im Gazastreifen

Im Gazastreifen sind am Mittwochmorgen (31.3.) mehrere Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen worden. Zwei Männer seien getötet worden, als sie sich einem israelischen Armeeposten in der Nähe einer jüdischen Siedlung genähert hätten. Ihre Leichen seien mittlerweile gefunden worden. Nach einem dritten Mann werde noch gesucht, teilte die Armee mit.

In Ostjerusalem kam es in der Nacht zu Mittwoch zu Zusammenstößen zwischen arabischen Einwohnern des Viertels Silwan und jüdischen Siedlern. Die Israelis wurden angegriffen, als sie versuchten, mehrere Häuser in dem arabischen Viertel zu beziehen, die sie nach eigenen Angaben vorher gekauft haben. Bei den Auseinandersetzungen wurden mehrere israelische Polizisten verletzt.