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Parlamentswahlen in Argentinien

23. Juni 2009

Präsidentin Kirchner hat in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit viel politisches Kapital verspielt. Bei der vorgezogenen Wahl am Sonntag (28.6.) könnte sie ihre Mehrheit im Parlament einbüßen.

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Präsidentenehepaar Christina und Néstor KirchnerBild: AP

Eigentlich waren die Wahlen in Argentinien erst für Oktober 2009 vorgesehen. Doch vor dem Hintergrund der sich weiter verschärfenden Weltwirtschaftskrise, die jetzt auch Argentinien erreicht hat, sah Präsidentin Kirchner die Chancen auf einen Wahlsieg in der zweiten Jahreshälfte gefährdet. Ein vorgezogener Wahltermin sollte ihr die Chance geben, auf politische Erfolge zu verweisen. Doch die Rechnung scheint nicht aufzugehen.

Umfragen sagen Wahlschlappe voraus

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag (28.06.2009 )wird lediglich über die Hälfte der 257 Sitze im Abgeordnetenhaus sowie ein Drittel der 72 Senatorensitze abgestimmt. Eigentlich keine große Sache – doch Präsidentin Christina Fernández und ihr Ehemann und Amtsvorgänger Néstor Kirchner haben die Wahl zu einer Volksabstimmung über ihre Amtsführung erklärt. Und es mehren sich die Zeichen, dass dieser Schuss für das Präsidentenpaar nach hinten losgehen könnte.

Cristina Fernandez de Kirchner
Im Wahlkampf vor zwei Jahren konnte Christina Kirchner noch die Massen begeistern...Bild: AP

Umfragen zufolge kommt das Lager von Präsidentin Christina Fernández de Kirchner nur noch auf 30 bis 35 Prozent der Stimmen, das wäre ein Minus von bis zu 15 Prozentpunkten im Vergleich zur Präsidentenwahl 2007. Damit droht der peronistischen PJ (Partido Justicialista) der Verlust der parlamentarischen Mehrheit.

Dabei hatte Christina 2007 von ihrem Mann Néstor ein gut bestelltes Feld übernommen. Hohe Weltmarkpreise für argentinische Agrarexporte hatten dazu beigetragen, die Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs von 2001/02 relativ schnell zu überwinden. Argentinien verzeichnete von 2003 bis 2007 durchschnittliche Wachstumsraten von rund 8 Prozent. Néstor Kirchner hatte im eigenen Land viel Applaus erhalten, als er beschloss, den Schuldendienst vorübergehend einzustellen.

Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen

Das Volk dankte es ihm mit der Wahl seiner Frau Christina ins höchste Staatsamt. Mit 45 Prozent der Stimmen erzielte sie 2007 sogar ein weitaus besseres Ergebnis als Néstor vier Jahre zuvor. Doch statt dem Wirtschaftswachstum Rechnung zu tragen und die Steuern wieder zu senken, verfolgte Christina Kirchner eine Politik der Verstaatlichung, die viele Kritiker von "venezolanischen Verhältnissen" in Argentinien sprechen ließ. Auf der Liste der unter staatliche Kontrolle gestellten Unternehmen stehen u. a. die Fluggesellschaft Aerolineas Argentinas, der Wasserversorger Aguas Argentinas, die Post sowie die Militärflugzeugfabrik AMC. Allerdings wurde in der Debatte von Seiten der Opposition gerne verschwiegen, dass es sich dabei ausnahmslos um Firmen handelte, die im Rahmen der großen Privatisierungswelle der 1990er Jahre vielfach mit europäischem Kapital erworben worden waren.

Bauern Aufstand in Argentinien gegen steigende Export Steuern
... doch der Bauernaufstand Anfang des Jahres hat sie viel Sympathie gekostet.Bild: AP

Ebenso wurde das Rentensystem wieder verstaatlicht: Eine Maßnahme zum Schutz der Renten vor den Folgen der Weltfinanzkrise, so die Argumentation der Regierung. Kritiker befürchten jedoch, die Regierung werde sich aus dem Rentenfonds bedienen, um Schulden zu bezahlen und Löcher im Staatshaushalt zu stopfen.

Konflikt mit den Bauern

Zur Nagelprobe für die Amtsführung der Präsidentin wurde jedoch der Konflikt mit den Landwirten. Die steigenden Exportpreise für Rindfleisch, Weizen und Soja verleiteten die Regierung dazu, die Ausfuhrzölle drastisch zu erhöhen. Die Bauern reagierten mit wütenden Protesten und legten im März dieses Jahres fast das ganze Land mit Straßenblockaden lahm. Schließlich musste die Regierung nachgeben.

Der Streik stieß auf große Sympathien in der städtischen Mittelschicht. Die steigende Inflation als Folge der großzügigen staatlichen Investitionsprogramme der zurückliegenden Jahre bedroht den mühsam wieder gewonnenen bescheidenen Wohlstand nach der Krise 2001. Als Folge dieser politischen Niederlage fielen die Popularitätswerte der Präsidenten von sagenhaften 70 Prozent auf jetzt magere 35 Prozent.

Trotz der absehbaren Niederlage wird Cristina Kirchner ihre Amtszeit wohl einigermaßen unbeschadet zu Ende führen können. Der Verlust der parlamentarischen Mehrheit ist verschmerzbar, denn die Regierung hat seit 2001 die Vollmacht, am Parlament vorbei Änderungen im Haushalt vorzunehmen. Und die Opposition, die für 2011 schon mit den Füßen scharrt, will kein ruiniertes Argentinien übernehmen. (mge/ina/dpa/swp/elpais)