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Abschotten hilft nicht

Bernd Riegert12. Februar 2009

In Zeiten von Massenentlassungen setzen immer mehr EU-Staaten auf Protektionismus. Für Bernd Riegert ein nachvollziehbares Phänomen, das aber in die vollkommen falsche Richtung führt:

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Themenbild Kommentar: Schriftzug über einen Papier mit einem Stift
Bild: DW

Protektionismus, also das Abschotten der eigenen Wirtschaft gegen Konkurrenz von außen, ist in der Europäischen Union verboten. Der Binnenmarkt, der freie Austausch von Waren in den 27 Mitgliedsstaaten ohne Zollschranken oder illegale staatliche Beihilfen, ist einer der Grundpfeiler der Union. Der französische Versuch, diesen Pfeiler zu schwächen, ist Anlass zu größter Sorge und lässt in Brüssel hoffentlich alle Alarmsirenen schrillen. Die EU-Kommission ist die Hüterin der EU-Verträge und dafür zuständig, die Regeln des Binnenmarktes durchzusetzen.

Sarkozy muss zur Räson gerufen werden

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso muss, auch wenn es schwerfallen wird, den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy stoppen, wenn er tatsächlich französischen Autoherstellern die Produktion im europäischen Ausland untersagen will. Die Regeln des Binnenmarktes müssen sich gerade in der Krise bewähren. Wenn die Kommission jetzt zu nachgiebig agiert, nicht nur gegenüber Frankreich, sondern auch gegenüber jedem anderen EU-Staat, dann wird die Union in ihren Grundfesten erschüttert. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Politiker, die ihren nationalen Wählern verpflichtet sind, in der schlimmsten Wirtschaftskrise der EU an ihre eigene Klientel und deren Arbeitsplätze denken. Doch diese Rechnung kann nicht aufgehen.

Drohender Rückfall in Nationalismus

Bernd Riegert
Bernd Riegert, EU-Magazine und EU-Projekte der Deutschen Welle

Denn längst sind europäische Konzerne europäisch organisiert. Nationale Konjunkturprogramme helfen immer auch ausländischen Standorten und umgekehrt. Und das sollen sie auch. Denn nur die Summe der nationalen Konjunkturpakete kann auf europäischer Ebene helfen. Die Warenströme innerhalb Europas sind bislang ein Quell des wirtschaftlichen Wachstums gewesen. Sie jetzt auch noch durch protektionistische Maßnahmen abzuwürgen, wäre ein Rückfall in wirtschaftspolitischen Nationalismus, der die Krise nur verschärfen würde. In Großbritannien streikten bereits Arbeiter, weil sie glaubten mit britischem Geld würden Arbeitsplätze für Ausländer subventioniert. Der wohlfeile Hinweis der französischen Regierung, die anderen machen es doch auch, führt nicht weiter, sondern setzt nur eine fatale Spirale in Gang.

G7 muss deutliche Worte finden

Bereits am Samstag beim Treffen der G7-Finanzminister muss klar werden, dass Protektionismus abgelehnt wird. Beim Sondergipfel der Europäischen Union am 01. März in Brüssel wird der französische Präsident auf den rechten Pfad zurückgeholt werden müssen. Es ist allerdings nicht so, dass nur Frankreich mit einem Aufweichen der Binnenmarkt-Regeln liebäugelt. Die zahlreichen nationalen Konjunkturprogramme enthalten viele kleine Versuche, das Geld möglichst im eigenen (Wähler-)Land zu halten. Auch das deutsche Konjunkturprogramm sieht vereinfachte Vergaberegeln vor, um Aufträge möglichst lokalen Firmen und Handwerkern zukommen zu lassen.

Bedrohung für freien Welthandel

Die Europäische Union als Ganze tritt übrigens gegenüber anderen Weltregionen auch nicht zu zimperlich auf. Sie will zum Beispiel ihre Milchexporte wieder subventionieren, was zu einem Preisverfall in anderen Milch-produzierenden Staaten führen dürfte. Auch das ist Protektionismus. Andererseits schotten China, Russland und die USA sich immer mehr gegen europäische Stahlexporte ab. Im Weltmaßstab hat längst ein protektionistisches Wettrennen begonnen. Das US-amerikanische Konjunkturpaket enthält immer noch eine Klausel, die heimische Anbieter bevorzugen soll. Sie wurde erst nach Protesten aus Europa abgeschwächt.

Protektionismus könnte weltweit die Handelsströme empfindlich treffen. Für Deutschland, dessen Wirtschaft vom Export abhängt, wäre das eine Katastrophe. Deshalb muss das Treffen der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer am 02. April in London unbedingt ein klares Bekenntnis zu einem möglichst freien Welthandel bringen. Europa muss hier eine führende Rolle spielen.