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Marcus Bösch19. November 2002

Aktiv beteiligen können sich Besucher im weltweit ersten Mathematikmuseum in Gießen. Ohne pädagogischen Zeigefinger sollen Exponate aus Holz, Stoff und Seifenlauge Begeisterung wecken.

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Mathe macht Spaß!Bild: AP

Herr Läer schien die weiße Tafelkreide zu frühstücken. In seiner Butterbrotsdose bewahrte er das kostbare Gut. Stets mit flinken Fingern konnte er ein neues Stück hervorkramen, um sich der Verbreitung von wirren Formeln an der Tafel zu widmen. "Herrschaften", pflegte Herr Läer zu sagen, um danach von Gleichungen und Ungleichungen oder unstetigen Funktionen zu schwärmen. Eine nicht enden wollende Geheimwissenschaft für kreidebedeckte Außenseiter in Cordhosen und Freunde von Mathematik-Sendungen am öffentlich-rechtlichen Fernsehvormittag.

Mitmachen, ausprobieren, knobeln

Faxenspiegel Mathematikum Gießen
Faxenspiegel Mathematikum GießenBild: Mathematikum

Dass die Mathematik für nicht unerhebliche Teile einer funktionierenden Welt von Bedeutung ist, wird niemand ernsthaft abstreiten wollen. Das sie aber auch Spaß machen kann, halten die meisten Menschen für ein Gerücht. Wahrscheinlich haben diese Leute noch nie von Albrecht Beutelspacher gehört. Der ambitionierte Mathematikprofessor eröffnet heute im Beisein des Bundespräsidenten Johannes Rau, das "Mathematikum" in Gießen: Nichts weniger als das weltweit erste Mathemuseum zum Mitmachen.

"Ich habe jahrelang darauf hingearbeitet", erklärt Albrecht Beutelspacher im Gespräch mit DW-WORLD. Im ehemaligen Hauptzollamt der Stadt Gießen ist sein langgehegter Wunsch Wirklichkeit geworden: Ein innovatives Projekt zur Wissensvermittlung. Statt dröger Ausstellungstafeln und großkopierter textlicher Bleiwüsten präsentieren Beutelspacher und Mitarbeiter auf 1000 Quadratmetern rund 50 Exponate aus Holz, Stoff oder auch mal Seifenlauge: Zum mitmachen, ausprobieren und knobeln.

Klickteile Mathematikum Gießen
Klickteile Mathematikum GießenBild: Mathematikum

Was ist ein Rhombenikosidodekaeder?

Mit der klassischen schulischen Vermittlung mathematischer Inhalte hat Beutelspacher so seine Probleme. "Die generelle Bilanz nach 13 Jahren Schule ist katastrophal", resümiert er. Statt untätig zu kritisieren, ersann er lieber fluchs einfache anschauliche Experimente für Groß und Klein, um "Impulse zu geben" und zum Denken anzuregen. Beutelspacher sieht das Mathemuseum in der Tradition der amerikanischen "Science Centers". "Seit den 60er-Jahren werden da wissenschaftliche Inhalte anschaulich vermittelt – bisher allerdings nur für Physik und Technik", erzählt der Professor.

Begriffe wie "Minimalfläche", "unstetige Funktion" oder "archimedischer Körper" werden bei Beutelspacher plötzlich anschaulich. Denn im Vordergrund stehen der spielerische Aspekt, Bezüge zum Alltag und praktische Anwendungen. Selbst die Bedeutung eines "Rhombenikosidodekaeder" wird haptisch begreifbar, als begehbares Zelt, zusammengenäht aus bunten Stoffstücken drei-, vier- und fünfeckig.

Unglaubliche Motivation

Professor Albrecht Beutelspacher
Professor Albrecht BeutelspacherBild: Mathematikum

"Unglaubliche Motivation und Begeisterung bei Jung und Alt", hat Beutelspacher bereits bei seiner Wanderausstellung "Mathe zum Anfassen" erlebt. 500.000 Besucher haben dort - natürlich nacheinander - innerhalb einer menschengroßen Seifenblase den Begriff "Minimalfläche" verstanden. Das Erfolgsrezept von Bartels scheint dabei recht schlicht: Nie mit dem pädagogischern Zeigefinger. Der Professor möchte lediglich "Impulse geben". Und das ist vielleicht mehr als so mancher Mathelehrer.