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"Neue Richtung für Afghanistan"

Dieter Herrmann / AL13. Juni 2014

Die Afghanen haben einen neuen Präsidenten gewählt. Im Exklusiv-Interview mit der DW spricht der Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah über seine Ziele und die Herausforderungen der künftigen Staatsführung.

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Afghanistans Kandidat für die Präsidentschaftswahl Abdullah Abdullah (Foto: Picture Alliance)
Bild: picture alliance/landov

Präsidentschaftskandidat Abdullah Abdullah konnte in der ersten Wahlrunde Anfang April die meisten Stimmen auf sich vereinigen, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Den größten Rückhalt hat er in den großen Städten sowie im Norden des Landes. In Kabul traf das DW-Reporterteam den afghanischen Präsidentschaftskandidaten.

Deutsche Welle: Was würden Sie anders machen als Hamid Karsai, wenn Sie zum neuen Präsidenten Afghanistans gewählt würden?

Abdullah Abdullah: Die Präsidentschaft Karsai war eine große Chance für ihn selber und für Afghanistan. Ob es ihm allerdings gelungen ist, diese Chance im besten Interesse des Landes zu nutzen, das steht in Frage. Unsere Vision ist es, eine neue Richtung für Afghanistan einzuschlagen und echte Verantwortung zu übernehmen - für die Interessen dieses Landes und eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschen. Unter der Regierung Karsai wurde viel erreicht. Aber es hätte viel mehr sein können. Die Chance, die Karsai in den vergangenen 13 Jahren hatte, vor allem durch die starke Unterstützung der afghanischen Bevölkerung und der Internationalen Gemeinschaft, wird der zukünftige Präsident Afghanistans nicht im gleichen Maße haben.

Afghanischer Präsident Hamid Karzai (Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images)
Präsident Karsai habe viel erreicht, aber es hätte mehr sein können, so AbdullahBild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Die Tatsache, dass diesmal die Mehrheit der Menschen in Afghanistan den neuen Staatschef wählen und dass das Land damit erstmals einen rechtmäßig gewählten Präsidenten hat, stellt eine Veränderung im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2009 dar. (Damals wurden der Regierung Karsai massive Wahlfälschungen vorgeworfen, Anm. d.Red.). Das hat seine letzten Regierungsjahre belastet.

Außerdem werden wir die Beziehungen Afghanistans zu den Ländern innerhalb und außerhalb der Region auf eine neue Grundlage stellen.

In den vergangenen Jahren ist sehr viel finanzielle Hilfe der Internationalen Gemeinschaft nach Afghanistan geflossen. Wird Afghanistan in Zukunft auf eigenen Füßen stehen können?

Das wird sicherlich nicht zum Amtsantritt des neuen Präsidenten möglich sein, es wird noch etwas dauern. Aber grundsätzlich ja, denn es gibt viele Ressourcen und Potential in diesem Land. Darauf können wir aufbauen. Wir müssen insbesondere Prioritäten in der Wirtschaftsentwicklung setzen, ein günstiges Investitionsklima schaffen und die Korruption bekämpfen. Diese Maßnahmen werden unsere Abhängigkeit von ausländischer Hilfe verringern.

Wie geht es weiter mit dem Friedensprozess? Würden Sie als Präsident mit den Taliban verhandeln oder sogar Vereinbarungen mit ihnen treffen?

Wir müssen die Tür offenhalten für Gespräche mit den Taliban. Aber für Vereinbarungen braucht man zwei Partner. Wir werden von unserer Seite weiterhin ernsthaft versuchen, Verhandlungen mit den Taliban voranzutreiben. Was ihre Antwort sein wird, wissen wir nicht, hoffen aber, dass sie die neue Regierung als neue Chance wahrnehmen und ihre Legitimität nicht infrage stellen. Die Menschen in Afghanistan wollen Frieden, und die neue Führung des Landes wird darauf hin arbeiten müssen.

Wie stehen Sie zu ihrem Nachbarland Pakistan?

Es gibt eine neue Regierung in Pakistan, die den Wunsch geäußert hat, die Beziehungen zu Afghanistan zu verbessern. Auch Afghanistan wird eine neue Regierung haben. Beide Länder haben nun die Chance, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und zu kooperieren, um die Probleme zu lösen und Herausforderungen zu begegnen. Das ist in beiderseitigem Interesse und im Interesse von Frieden und Stabilität in der Region.

Lassen Sie uns über Frauen- und Frauenrechte sprechen. Sind diesbezüglich Veränderungen nötig, oder würden Sie alles so lassen wie bisher?

In diesem Punkt hinken wir hinterher. Afghanistan hat nicht das erreicht, was es hätte erreichen sollen. Mehr als 30 Prozent der Frauen haben sich an den Wahlen beteiligt. Daran kann man sehen, dass sie sich ihrer Rechte bewusst sind und davon Gebrauch machen. Das Thema Frauenrechte ist in der öffentlichen Wahrnehmung der Bevölkerung schon präsenter geworden. Gleichzeitig muss aber der Staat kurz-, mittel- und langfristig weitere Programme fördern, damit irgendwann wirklich alle Frauen ihre Rechte einfordern und auch genießen können.

Sind die afghanischen Streitkräfte in der Lage, nach dem Abzug der Internationalen Truppen für die Sicherheit im Land zu sorgen?

Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit mit der Internationalen Gemeinschaft, was die Stärkung unserer Institutionen und auch unserer Polizei und des Militärs angeht, auch fortgesetzt wird, wenn die ausländischen Truppen das Land verlassen haben.

Die neue Regierung wird sich bemühen, im Sinne des Staates und nicht im Sinne der Aufständischen zu handeln. Daneben wird sich die künftige Regierung um viele weitere Probleme kümmern müssen: die Bekämpfung von Korruption und Diskriminierung und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. All das wird dazu beitragen, den Staat zu stärken - die Sicherheit ist nicht nur vom Militär abhängig.

Wir hoffen, dass es Afghanistan auf seinem Weg in die Zukunft gelingt, mehr Eigenständigkeit zu erlangen. Das ist unser Wunsch und unser Plan.