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Symbolpolitik statt Paukenschlag

Gero Schließ1. Oktober 2015

Palästinenserpräsident Abbas hat Israel vor der UN zwar hart kritisiert und den in Oslo vereinbarten Friedensprozess infrage gestellt, doch nicht aufgekündigt. Israel und die USA wird das nicht beeindrucken.

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Palästinensischer Präsident Mahmoud Abbas (Foto: Reuters/M. Segar)
Bild: Reuters/M. Segar

Einen "Paukenschlag" hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Vorfeld seiner Rede vor der UN-Vollversammlung angekündigt. Doch: "Abbas hat das Osloer Abkommen nicht aufgekündigt", stellt Khaled Elgindy von der Washingtoner Brookings Institution richtig, wenngleich erste Medienberichte den Eindruck vermittelten, der Palästinenserpräsident sei einseitig aus dem 1973 in Oslo beschlossenen Nahost-Friedensprozess ausgestiegen, in dem der Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung vorgezeichnet wurde. Abbas habe vielmehr gesagt, dass die Palästinenser "nicht die einzige Partei seien wollten, die sich an den Vertrag gebunden fühlten", sagte Elgindy der Deutschen Welle.

Im Anschluss an diese Aussage warf Abbas Israel dann zahlreiche Vertragsverletzungen vor, darunter die Weigerung, die Besiedlung der besetzten Gebiete zu stoppen und palästinensische Gefangene freizulassen. "Das ist ein klassischer Schachzug von Abbas. Er lädt die Pistole und ist dann sehr zögerlich, sie auch zu gebrauchen", sagt Elgindy. Was Abbas' Ankündigung für die praktische Politik bedeutet, sei eher unsicher, so der Nahostexperte: "Ich glaube nicht, dass es zu einer Aufkündigung der Sicherheitskooperation mit Israel kommt, was die Hauptsorge der Israelis und der Amerikaner ist".

Syrien-Konflikt dominiert

Ähnlich wie die Ukraine sind auch die Palästinenser die Leidtragenden einer veränderten weltpolitischen Agenda. Der eskalierende Syrien-Konflikt, der Kampf gegen den Islamischen Staat und die Flüchtlingskrise stehen ganz oben auf der Prioritätenliste der Amerikaner, Europäer und Russen. Dass Präsident Obama in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung den palästinensisch-israelischen Konflikt nicht einmal erwähnte, hat die Palästinenser tief getroffen.

Saeb Erekat, palästinensischer Chefunterhändler und Vertrauter von Abbas, zeigte sich gegenüber der Deutschen Welle enttäuscht vom amerikanischen Präsidenten: "Obama und alle Führer waren vereint im Kampf gegen den Islamischen Staat. Das ist gut, das unterstützen wir". Doch jeder wisse, dass der Islamische Staat nicht mit Kugeln besiegt werden könne, so Erekat, um dann zur Kritik auszuholen: "Wie kann der Präsident der USA sagen, er wolle den Islamischen Staat besiegen und Demokratie und Stabilität in die Region bringen und gleichzeitig die israelische Besetzung von Palästina ignorieren? Und ignorieren, dass die israelischen Siedlungsaktivitäten fortgesetzt werden?", so Erekat in einem DW-Interview hier in New York. Obama habe im Jahre 2009 in seiner Kairoer Rede gefordert, dass die Siedlungspolitik der Israelis geändert werden müsse. Seitdem habe sich nichts geändert. Im Gegenteil, die Siedlungsaktivitäten hätten sogar um mehr als 20 Prozent zugenommen.

Saeb Erekat (Foto: dpa)
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb ErekatBild: picture-alliance/dpa

Keine Änderung der US-Politik

Khaled Elgindi hält es für unwahrscheinlich, dass die Obama-Regierung sich von der Kritik der Palästinenser beindrucken lässt: "Die Amerikaner haben mit dem Islamischen Staat und Syrien alle Hände voll zu tun. Sie werden nicht ihre außenpolitischen Prioritäten ändern, nur weil Abbas eine Rede hält."

Dass das nachlassende Interesse der Amerikaner am israelisch-palästinensischen Konflikt gleichbedeutend sei mit einer Abwendung von der Zwei-Staaten Lösung, schließt Saeb Erekat gegenüber der Deutschen Welle aus. "1947 haben die UN entschieden, dass es zwei Staaten gibt. Israel und Palästina. Diejenigen, die diese Zweistaatenlösung unterstützen, können nicht die Organisation eines der Staaten zulassen und dem anderen das Gleiche verweigern."

Ohnmacht der Symbolpolitik

Flaggenzeremonie in New York: Die Palästinensische Flagge wird vor dem UN-Gebäude gehisst (Foto: dpa)
Die Palästinensische Flagge wird vor dem UN-Gebäude in New York gehisstBild: picture-alliance/dpa/J. Lane

Erekat verweist auf die Flaggenzeremonie, die im Anschluss an die Abbas-Rede vor dem UN-Gebäude stattfand (siehe auch das Bild ganz oben). Sie zeige die Entschlossenheit der Palästinenser, für ihre Unabhängigkeit einzustehen. Für Khaled Elgindy ist die Zeremonie eher der Beleg für die Ohnmacht der Palästinenser: "Das Hissen der Flagge ist das einzige, was Abbas bleibt". Er könne nur symbolische Politik machen, weil er die realpolitischen Tatsachen nicht ändern könne.

Wenn sich nichts ändere, warnt Saeb Erekat, könne das den Frustrationspegel unter den Palästinensern in bedrohliche Höhen treiben. Setzten sich die israelischen Siedlungsaktivitäten fort, "dann ist die israelische Regierung voll verantwortlich für die Konsequenzen" droht er und folgert: "Verzweiflung führt zu verzweifelten Taten. Wir müssen die Verzweiflung stoppen."