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A Gun for Everyone

Nikos Späth30. Dezember 2003

Jeder US-Bürger hat das Recht, eine Waffe zu tragen. So steht es in der amerikanischen Verfassung. Ein Städtchen in Kansas wollte daraus eine Pflicht machen.

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Geuda Springs, im US-Bundesstaat Kansas nahe der Grenze zu Oklahoma gelegen, hat 210 Einwohner und einen Stadtrat mit extremen Ansichten. Dieser erließ kürzlich in einer Drei-zu-zwei-Abstimmung eine Verfügung, die jedem Haushalt vorschreibt, eine Schusswaffe samt Munition zu besitzen und zu Hause aufzubewahren. "Wenn jeder bewaffnet ist, kommen die bösen Jungs erst gar nicht zu uns", begründete Geuda-Springs-Ratsmitglied John Brewer die Gesetzesinitiative.

Bußgeld für Waffenlose

Wer sich weigert, eine Waffe zu besitzen, der soll 10 Dollar Bußgeld zahlen. Oder nachweisen, dass ihm sein Gewissen oder seine Religion am Waffenbesitz hindert, er arm, physisch oder psychisch behindert oder ein verurteilter Straftäter ist. Jene Mitmenschen nämlich sind von der Waffenbesitz-Pflicht befreit.

Nun könnte man erwarten, dass Geuda Springs jahrelang von Räubern, Mördern und Kinderschändern heimgesucht wurde, um jetzt zu solch drastischen Mitteln der Selbstverteidigung zu greifen. Mitnichten. Das Straftatenregister für das gesamte Jahr weist gerade Mal einen Fall von häuslicher Gewalt und eine "kriminelle Beschädigung von Besitz" auf. Erst nach Verabschiedung der Gesetzesinitiative wurde eine 29-jährige Mutter angeklagt, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Eine Knarre im Haus indes hätte dem Säugling wohl auch nicht das Leben gerettet.

193 Millionen Schießeisen

Die Provinzposse aus Kansas hat in der Cowboy-Nation USA erneut die Diskussion um Sinn und Unsinn von privatem Schusswaffenbesitz angeheizt. Dabei sind die Befürworter der Geuda-Springs-Verfügung in der Oberhand. Das ist nicht überraschend in einem Land, in dem man erst mit 21 Jahren ein Bier trinken, aber mit 18 in fast jedem Bundesstaat eine Waffe kaufen kann, in dem geschätzte 193 Millionen Schusswaffen in privaten Händen sind und 40 Prozent aller Haushalte Schießeisen besitzen, in einem Land, in dem zwei Millionen Menschen der Waffenbesitzerorganisation National Rifle Association (NRA) angehören (darunter Ronald Reagan und zwischenzeitlich George Bush Senior) und Zeitschriften wie "Guns & Ammo", "Handguns" und "American Handgunner" hunderttausendfach verkauft werden.

Freilich will nicht jeder Amerikaner ein Pistolero wie John Wayne sein. Eine Auswahl von Kommentaren zum Ratsbeschluss in Geuda Springs indes sagt über das allzu liberale Verhältnis Amerikas zu Waffen einiges aus. So schreibt ein gewisser "BenLurkin" auf der Internet-Seite FreeRepublic.com: "Ich finde, jeder Haushalt in Amerika sollte mit Feuerwaffen und Munition ausgestattet sein. Die Polizei dagegen sollte entwaffnet werden." Noch weiter geht "Graybeard58": "Wir sollten verpflichtet werden, mindestens eine Pistole im Monat zu kaufen. Und wenn wir uns das nicht leisten können, sollte die staatliche Wohlfahrt dafür sorgen."

Selbst Akademiker begrüßen die Selbstjustiz-Vorschriften aus Geuda Springs als "wichtigen Schritt, die Macht von der Regierung wieder dorthin zu verschieben, wo sie hingehört - in die Hände der Bürger", schreibt Tony Eberhart, Kolumnist und Student der Pennsylvania State University.

Mehr Knarren = weniger Verbrechen?

Die Befürworter der Waffenpflicht argumentieren, die Kriminalität würde sinken, je mehr Revolver und Gewehre die Bürger zur Hand hätten – freilich nur zur Selbstverteidigung. Sie berufen sich dabei auf ein Kaff namens Kennesaw in Georgia, in dem als bisher einzige Stadt in den USA Waffenpflicht gilt. Seitdem diese 1982 eingeführt wurde, würden in Kennesaw 80 Prozent weniger Einbrüche verübt, heißt es. Auch die Zahl von Gewaltverbrechen sei stark gesunken, obwohl sich die Bevölkerungszahl verdreifachte.

"Schusswaffen sind ein Abschreckungsmittel für böse Jungs. Nimmt man sie den guten Leuten weg, tut man ihnen keinen Gefallen", lautet das simple Urteil von Erich Pratt, einem Sprecher der Gun Owners of America, einer nationalen Waffenbesitzerlobby.

Unterdessen hat der Bürgermeister von Geuda Springs, Ed Lacey, mit seinem Veto die Ratsentscheidung vorerst auf Eis gelegt. Eine Waffenpflicht sei nicht notwenig, ohnehin hätten 85 Prozent aller Bewohner Handfeuerwaffen. Wozu also die Aufregung? Peng! Peng!