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Nürnberger Orgelwoche - Musica Sacra

30. Mai 2011

Das vielleicht älteste Festival für geistliche Musik hatte in dieser Saison sein 60. Jubiläum. Eine kurze Rückschau auf Geschichte und Highlights des Festivals, das vom 20. bis 29. Mai stattfand.

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Blick auf die evangelische St. Lorenz Kirche in Nürnberg (Mittelfranken), aufgenommen am 25.05.2011 (Aufnahme mit Polarisationsfilter). Foto: Daniel Karmann dpa/lby
Die St. Lorenz Kirche in NürnbergBild: picture alliance/dpa
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Der Pianist, Organist und Komponist Franz Liszt (1811-1886)Bild: ullstein bild

Nürnberg hat zwei wunderschöne spätgotische Kirchen, St. Sebald und die große St. Lorenz-Kirche, beide mit kostbaren Kunstschätzen von Veit Stoß geschmückt. Veit Stoß’ Schnitzkunst überlebte den Krieg, ansonsten war Nürnberg jedoch in der Neujahrsnacht 1945 schwer zerstört und geschunden worden. Die Kirchen halb zerstört, die Orgeln ausgebrannt, auch die historische Traxdorf-Orgel in St. Sebald, eine der ältesten Orgeln Europas, erbaut zwischen 1440 und 1443. Der Prospekt der Orgel galt als der älteste weltweit.

Doch der Wiederaufbau begann, und im Jahr 1951 war die große Hauptorgel auf der Westempore in St-Lorenz wieder bespielbar. Dies war der Anstoß zur 1. Internationalen Orgelwoche Nürnberg (ION), initiiert von den beiden Kantoren von St.-Lorenz und St. Sebald. Mit seinen 60 Jahren ist es nun das vielleicht älteste Kirchenmusik-Festival überhaupt.

"Die Leute waren nach guter Musik ja so ausgehungert nach dem Krieg", schreibt Theo Kretzschmar, Journalist der ersten Stunde in der Festschrift zum 60-jährigen Festival-Jubiläum. "Zur ION strömten auch Leute, die sonst mit Musik nicht so viel zu tun hatten - sie wollten einfach gute Musik hören."

Internationale Öffnung

Die internationale Orgelwoche Nürnberg war von Anfang an Begegnungsstätte, auch der beiden Teile Deutschlands. So kam der Kantor der Leipziger Thomaskirche Günther Ramin mit seinen Thomanerchor nach Nürnberg. Aber auch ganz neue Klänge waren da zu hören, wie diejenigen des französischen Komponisten und Organisten Olivier Messiaen. Hubert Schaffer, der 40 Jahre lang Kantor der Nürnberger Frauenkirche war, erinnert sich: "Enormen Eindruck machte auf mich in diesen Anfangsjahren der Besuch von André Marchal aus Paris. Er war blind und spielte unter anderem von Messiaen die 'Apparition de l’église éternelle', das war für das Publikum eine Revolution."

Orgelwettstreit in der Geburtsstadt von Johann Pachelbel

Der Ruf Nürnbergs als Orgelstadt, in der ein Johann Pachelbel, einer der wichtigsten Komponisten der süddeutschen Orgeltradition, im 17. Jahrhundert gewirkt hatte, war nach dem Krieg durch die Orgel-Zerstörungen verblasst. Und dennoch etablierte sich hier innerhalb der Internationalen Orgelwochen einer der bis heute profiliertesten Orgelwettbewerbe. Der Österreicher Martin Haselböck, der 2011 als Dirigent des Eröffnungskonzertes mit seiner Wiener Akademie nach Nürnberg kam, war vor Jahren selbst Teilnehmer und später auch Jurymitglied beim Wettbewerb. "In der Nachkriegszeit", so Haselböck, "war Nürnberg fast ein Orgelzentrum, wo die Persönlichkeit Werner Jacob, Kantor an St. Sebald, der damals ja aus Leipzig herübergekommen war, sehr viel gestaltet und aufgebaut hat. Man kann sagen: Die deutsche Orgelschule, so wie sie jetzt in Stuttgart oder München gelehrt wird. All diese Plätze sind mit Nürnberg sehr eng verbunden."

Weimarer Originalklang zum Lisztjahr

Martin Haselböck gilt als großer Kenner der Werke von Franz Liszt. Zum Jubiläumsjahr seines 200. Geburtstages führte er nun in St-Lorenz Liszts Dante-Sinfonie auf. Der erklärte Lisztomane Haselböck erwarb dabei für die Wiener Akademie Instrumente, die Liszt selbst zu seiner Zeit für den Weimarer Hof angeschafft hatte. Dass der Aspekt des Originalklanges auch für Liszt von Bedeutung ist, mag zunächst verwundern. Doch Haselböck hat herausgefunden, dass das Liszt-Orchester kleiner besetzt war als in der Spätromantik üblich. Vor allem die Bläser klangen zudem dunkler. "Liszt verlangt Ventilinstrumente in ganz bestimmten Stimmungen", so Martin Haselböck. " Feine Nuancen in den Farben werden hier genutzt. Die Klanglichkeit dieses Originalklangs, könnte man sagen, betont die Modernität, die zukunftsweisende Kompositionstechnik in vielen dieser Stücke."

Musik der Religionen: Musica Sacra

Seit 2009 weitete sich das Programmspektrum auch auf nichtchristliche Religionen aus. Dies ist Programmchef Wilfried Hiller zu verdanken, der bekennt: "Für mich, der ich ja jahrelang im Bayerischen Rundfunk für Musik anderer Kulturen zuständig war, war es ganz klar, dass man unter "musica sacra" einfach geistliche Musik versteht, und das ist nicht nur die katholische und die protestantische Musik, sondern das ist auch die Musik anderer Religionen." Hier erfährt das Festival seit einigen Jahren eine sinnfällige Ergänzung. Diesmal waren neben Interpreten der japanischen Längsflöte, der Shakuhachi, und der Mundorgel Shô, auch tanzende Derwische des islamischen Sufi-Ordens aus der Türkei mit dabei.

Der Abschlussabend am 29. Mai fand unter dem Titel "Die arabische Passion" statt. Hier fand eine wahrhafte Begegnung der arabischen-islamischen mit der christlichen Welt der Passionen Johann Sebastian Bachs statt. Bearbeitete Ausschnitte aus den beiden großen Bach-Passionen gingen mit arabischem Vokal- und Instrumentalklang eine neue Verbindung ein. Eine notwendige Kulturbegegnung auf Augenhöhe, wie Wilfried Hiller findet.

Olivier Messiaen / Foto 1983 Messiaen, Olivier franz. Komponist und Organist; Avignon 10.12.1908 - Paris 27.4.1992. Foto, Paris, 1983. Bild für Kalenderblatt
Der Komponist und Organist Olivier Messiaen (1908-1992)Bild: PA/dpa

Autor: Tim Koeritz
Redaktion: Jürgen Brendel