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35 Jahre Haft für Ex-Präsidenten Ben Ali

20. Juni 2011

Der gestürzte tunesische Präsident Zine El Abidine Ben Ali ist in einem ersten Prozess wegen illegaler Bereicherung in Abwesenheit zu 35 Jahren Haft verurteilt worden.

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Zine El Abidine Ben Ali (Foto: dpa)
In Abwesenheit verurteilt: Zine El Abidine Ben AliBild: picture-alliance/dpa
Leila Trabelsi (Foto: dapd)
Mit in Haftung genommen: Ben Alis Frau Leila TrabelsiBild: dapd

Fünf Monate nach der Flucht ins Exil ist der tunesische Diktator Zine el Abidine Ben Ali in seiner Heimat verurteilt worden. Ein tunesisches Strafgericht sprach den Ex-Präsidenten und dessen Frau Leila Trabelsi am Montagabend (20.06.2011) in Abwesenheit der Veruntreuung von Staatsvermögen für schuldig und verhängte eine jeweils 35-jährige Freiheitsstrafe. Zusammen sollen beide zudem eine Geldstrafe von umgerechnet rund 46 Millionen Euro zahlen. Der Prozess gegen Ben Ali und seine Ehefrau hatte erst am Montagmorgen begonnen.

Ben Ali war in Tunesien 23 Jahre an der Macht. Nach wochenlangen Massenprotesten floh er am 14. Januar nach Saudi-Arabien. Die Behörden der tunesischen Übergangsregierung fordern seitdem die Auslieferung Ben Alis und seiner Frau. Dass das frühere Präsidentenpaar ausgeliefert wird, gilt jedoch als höchst unwahrscheinlich.

Ben Ali: "Vorwürfe sind haltlos"

Tuhami Hafi (Foto: AP)
Richter Tuhami Hafi sprach das UrteilBild: AP

Das Strafgericht in der Hauptstadt Tunis befasste sich mit versteckten Vermögenswerten des Ehepaares, darunter Juwelen und Devisen in Höhe von umgerechnet rund 19 Millionen Euro. Diese waren nach der Flucht Ben Alis in einem Palast im Norden von Tunis entdeckt worden.

Ben Ali hatte das Verfahren am Montag über Anwälte als politischen Prozess abgetan und die Vorwürfe als haltlos bezeichnet. Der Präsident habe nicht die Absicht, den Prozess ernst zu nehmen, sagte sein französischer Rechtsvertreter Jean-Yves Le Borgne dem Radiosender France Info. "Jeder sollte verstehen, dass dieser Strafprozess beschämende Siegerjustiz widerspiegelt", hieß es zuvor von einer Kanzlei im Libanon.

Vor Militärtribunal droht Ben Ali die Todesstrafe

Neben persönlicher Bereicherung auf Staatskosten wurden dem Ex-Präsidenten in dem ersten Prozess auch Waffen- und Drogendelikte vorgeworfen. Über diese Anklagepunkte soll aber erst am 30. Juni entschieden werden, teilte das Gericht am Abend mit. Die Pflichtverteidiger hatten zuvor mehr Zeit gefordert, den Prozess vorzubereiten.

Gegen Ben Ali und seine Familie sind Dutzende weitere Strafsachen anhängig. Bei geplanten Verfahren vor einem Militärtribunal könnte der Ex-Präsident wegen Tötungsdelikten und Folterverbrechen sogar zum Tode verurteilt werden.

Bei der Revolution in Tunesien waren nach Zahlen der Vereinten Nationen mehr als 200 Menschen gestorben. Unter ihnen waren zahlreiche Demonstranten. Sicherheitskräfte sollen zum Teil gezielt auf Landsleute geschossen haben.

Vorreiter Tunesien

Ben Ali war der erste Langzeitherrscher, der im Zuge des "Arabischen Frühlings" gestürzt wurde. Der Prozess in Tunis war der erste gegen einen arabischen Machthaber nach den Umstürzen in Nordafrika. Er wurde in der gesamten arabischen Welt mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. In Tunesien hatten die Massenproteste im Dezember 2010 ihren Ausgang genommen.

Husni Mubarak (Foto: AP)
Husni Mubarak könnte der nächste verurteilte Ex-Präsident seinBild: AP

Nach dem Prozessauftakt gegen Ben Ali soll im August in Ägypten das Verfahren gegen den wenig später gestürzten Staatschef Husni Mubarak beginnen. Dieser sitzt seit seiner Entmachtung in Ägypten in Untersuchungshaft. Beiden Ex-Präsidenten droht auch in Frankreich juristische Verfolgung. Die Pariser Staatsanwaltschaft eröffnete zwei Ermittlungsverfahren wegen bandenmäßiger Geldwäsche.

Opposition sieht in dem Urteil nur ein Symbol

Straßenszene in Tunis mit Stacheldrahtzaun und Militärfahrzeugen (Foto: DW)
Auch fünf Monate nach der Revolution ist die militärische Präsenz in Tunis noch hochBild: DW

Angesichts der Abwesenheit der beiden Angeklagten sieht die tunesische Opposition in dem Prozess nur eine symbolische Verfolgung der ehemaligen Staatsführung. Sie fordert Reformen im Justiz- und Sozialsystem sowie mehr Pressefreiheit, nachdem die Opposition unter Ben Ali jahrzehntelang systematisch unterdrückt wurde.

Für den 23. Oktober ist in Tunesien die Wahl zu einer verfassunggebenden Versammlung angesetzt. Sie soll für das nordafrikanische Land eine moderne und demokratische Verfassung ausarbeiten.

Autorin: Julia Elvers-Guyot (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Stephan Stickelmann