Peking+25: noch viel zu tun bei den Frauenrechten
6. März 2020Zwei Wochen im Jahr tagt die UN Frauenrechtskommission, um den Stand der globalen Frauenrechte zu prüfen und zu fördern. Die 64. Sitzung in diesem Jahr (9.-20. März) sollte vor allem den aktuellen Stand der Umsetzung der vor 25 Jahren verabschiedete Pekinger Erklärung und der Pekinger Aktionsplattform für Frauenrechte werden. Wegen des Corona-Virus fand die Konferenz diesmal ohne Plenarsitzungen, Parallel-Veranstaltungen und NGO-Programm statt.
Für eine politische Erklärung hat das Sparprogramm dennoch gereicht: Die Pekinger Erklärung und Aktionsplattform von 1995 werden weiterhin als Meilenstein und Grundlage für die Umsetzung der globalen Frauenrechte gefeiert – und die Ziele von den New Yorker UN-Vertretungen nochmals in einer politischen Erklärung bestätigt. Der Weg damals war lang und zäh, erinnert sich eine der Teilnehmerinnen von der bisher letzten Weltfrauenkonferenz in Peking:
"In der letzten Nacht ging es bis drei Uhr nachts durch. Aber nachdem wir dieses großartige Abschlussdokument erkämpft hatten, waren wir alle sehr, sehr euphorisch."
Brunhilde Hoffmann wird die Stimmung von damals nie vergessen. 1995, vor 25 Jahren, feierten Frauen in aller Welt die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking als den Durchbruch für Frauenrechte weltweit. Mehr als 17.000 Menschen waren bei der Konferenz dabei – darunter 6000 Regierungsdelegierte und mehr als 4000 Journalisten. Rund 30.000 Frauen trafen sich zeitgleich beim NGO-Forum im benachbarten Huairou.
Brunhilde Hoffmann hat als Juristin für den Deutschen Frauenrat die UN-Konferenz mit vorbereitet und ist bis heute davon begeistert.
"Ich bin so froh, dass ich das miterleben durfte, dieses Zusammensein mit den vielen Frauen aus aller Welt. Das war schon sehr, sehr erhebend", sagt die heute 83-Jährige im DW-interview.
Endlich sollte die weibliche Hälfte der Weltbevölkerung ihren adäquaten Platz in Politik und Gesellschaft einnehmen. "Gleichberechtigung, Frieden und Entwicklung", so das Motto der Pekinger Konferenz. Für politische und gesellschaftliche Entscheidungen sollte von nun an der Maßstab der Gleichberechtigung gelten. Frauen sollten gehört werden und ihre Stimmen genauso viel zählen wie die Stimmen der Männer. Alle Forderungen wurden in der sogenannten Pekinger Aktionsplattform festgelegt und von 189 Staaten unterschrieben.
Generation Gleichberechtigung
Der jungen Generation ist die Weltfrauenkonferenz von Peking kein Begriff mehr. Doch 25 Jahre später sind die Themen und Forderungen so aktuell wie damals – und immer noch unerreicht. Wenn das UN-Motto für den diesjährigen Weltfrauentag am 8. März lautet: "Ich bin Generation Gleichberechtigung", "I am Generation Equality", so hängt auch das mit der Strahlkraft von Peking zusammen.
"Ein ganz großer Aspekt taucht da bei mir auf, nämlich der, dass Frauenrechte überhaupt erstmal in den Gedankenapparat von Gesellschaften gedrungen sind", sagt Karin Nordmeyer, Vorsitzende des deutschen Komitees von UN Women.
Die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking habe das Fundament geändert, auch wenn sich der Alltag der meisten Frauen seither nicht deutlich verbessert hat. Vor 25 Jahren in Peking war der Anspruch, dass Frauen die gleichen Rechte haben, weil sie die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen.
"Deshalb ist es so wichtig, dass auch die Frauen nicht in diese Falle wieder tappen zu sagen, Frauenrechte müssen von Frauen erstritten werden. Sondern es geht um die Gleichberechtigung und um die Gleichstellung der Geschlechter. Das müssen wir hinkriegen", so Nordmeyer.
Neues Selbstbewusstsein
"Wir müssen sehen, dass wir beide Geschlechter, oder vielmehr alle Geschlechter dazu kriegen, dass wir auf gleicher Ebene am gleichen Strick ziehen, um unsere Welt zu retten", sagt Nordmeyer.
Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, müssten nicht nur alle Geschlechter, sondern auch alle Generationen zusammenstehen. Die globalisierte Welt von heute biete dabei im Vergleich zu Peking neue, digitale Möglichkeiten für eine weltweite Vernetzung:
"Also alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, um miteinander zu kommunizieren, was es eben zu Pekings Zeiten nicht gab."
Neu ist auch, dass in den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN, die bis 2030 einen Entwicklungsplan für die gesamte Welt darstellen, Frauenrechte in allen 17 Zielen mit aufgenommen wurden. Ziel Nummer fünf heißt jedoch nicht "Frauenrechte" sondern "Geschlechtergleichheit".
Ziele in weiter Entfernung
Mittlerweile haben 143 Länder die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Verfassung festgeschrieben. Doch nur in acht Staaten – Belgien, Kanada, Dänemark, Schweden, Island, Luxemburg, Frankreich und Lettland – garantieren Gesetze die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Das zeigt eine Studie der Weltbank, die den Fokus vor allem auf Job-, Eigentums-, Familien-, Renten- und Mobilitätsfragen richtet. Den neunten Platz teilt sich Deutschland der Punktezahl nach mit neun anderen europäischen Ländern. Insgesamt berücksichtigt die Studie 187 Länder weltweit.
Es gibt kein einziges Land auf der Welt, in dem die Gleichberechtigung von Frauen und Männern vollständig erreicht ist, das zeigt auch der "Global Gender Gap Index" des Weltwirtschaftsforums, der noch umfassender ist als der Weltbank-Bericht. Hier geht es vor allem um wirtschaftliche und soziale Gleichberechtigung – und kein Land erreicht die vollen 100 Punkte im Index.
Das bedeutet auch: Die Forderungen von Peking 1995 sind heute noch weltweit aktuell. Dennoch gibt es keine Pläne, eine neue Weltfrauenkonferenz einzuberufen. Peking 1995 war die vierte und vorläufig letzte UN-Frauenkonferenz.
"Wir sind zurückgekommen mit dem besten Abschlussdokument, das wir damals erwarten konnten. Das ist der Grund, weswegen wir bis jetzt gegen eine fünfte Weltfrauenkonferenz waren und sind", sagt die Juristin Brunhilde Hoffmann. "Denn wir sind nicht sicher, ob wir jemals wieder solch ein Abschlussdokument erkämpfen können."