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Überraschung bei südkoreanischen Wahlen

Fabian Kretschmer (aus Seoul)14. April 2016

Die Parlamentswahlen in Südkorea endeten mit einem innenpolitischen Erdbeben. Die konservative Regierungspartei von Präsidentin Park hat die Mehrheit verloren. Die Opposition errang einen Sitz mehr.

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Eine Frau verlässt die Wahlkabine bei den südkoreanischen Parlamentswahlen (Foto: Reuters/Kim Hong-Ji)
Bild: Reuters/Kim Hong-Ji

Die Parlamentswahlen in Südkorea gehen mit einer großen Überraschung zu Ende:
Die konservative Saenuri-Partei, die auch die Präsidentin Park Geun-hye stellt,verliert die Mehrheit gegenüber der linksgerichteten Oppositionspartei. Von insgesamt 300 Sitzen kommt die Saenuri-Partei auf 122 – und verliert damit 35 Abgeordnete. Ihr Parteivorsitzender Kim Moo-sung hat bereits seinen Rücktritt bekannt gegeben. Die Minjoo-Partei kann 123 Sitze für sich gewinnen.

Die Wahlentscheidung betrifft vor allem die geplanten Wirtschaftsreformen von Präsidentin Park, die nun zum Erliegen kommen könnten. Die letzten anderthalb Amtsjahre ihrer Legislaturperiode werden noch stärker als zuvor von politischem Stillstand geprägt sein, bevor das Land im Dezember 2017 ihren Nachfolger wählt. Das jetzige Wahlergebnis erhöht die Chance der Opposition, den nächsten Präsidenten zu stellen.

Zerstrittene Opposition

Überraschend kommt das Wahlergebnis nicht zuletzt, weil die linksgerichtete
Opposition mehr denn je von inneren Streitereien zerrüttet ist: Im Januar 2014 spaltete sich der ehemalige Software-Entwickler Ahn Cheol-su von der Minjoo-Partei ab und gründete die neue Volkspartei. Er inszeniert sich als ein koreanischer Steve Jobs, der mit den angestaubten und korrupten Parteieliten aufräumen will. Ahns Partei konnte immerhin 38 Abgeordnetensitze sichern.

Plakate von Kandidaten in Seoul (Foto: AFP/J. Yeon-Je)
Auch die Wahlbeteiligung lag mit 58 Prozent über den ErwartungenBild: Getty Images/AFP/J. Yeon-Je

Die konservativen Stammwählerschaft findet sich vor allem unter den älteren Südkoreanern, die noch unter der Militärdiktatur aufgewachsen sind und von der antikommunistischen Erziehung während des Kalten Krieg geprägt wurden. Ihre vorherrschenden Wahlmotive werden von außenpolitischen Themen dominiert: die starke Militärallianz mit Washington sowie eine harte Linie gegenüber Nordkorea. "Die aktuellen Spannungen mit Nordkorea mobilisieren definitiv die klassische Klientel der konservativen Regierungspartei", sagt Robert Kelly, Politologe an der Pusan National University: "Die Linke ist hingegen sehr gespalten, wie man mit Nordkorea umgehen sollte. Sie springen hin und her zwischen Annäherung und Konfrontation."

Jugendarbeitslosigkeit und Einkommensschere

Nur wenige Tage vor den Wahlen war die Regierungspartei in die Kritik geraten. Sie hätte die "Nordkorea-Karte" zum Stimmenfang ausgespielt: So haben mehrere Regierungsbehörden kurz vor dem Urnengang am Mittwoch die spektakuläre Flucht von 13 nordkoreanischen Restaurantarbeitern in China sowie die Flucht eines hochrangigen Spionage-Offizier bekannt gegeben, der allerdings bereits 2015 geflohen war. Normalerweise halten sich die Behörden bei solchen Fällen überaus verdeckt. Kritiker vermuten, dass die Regierung kurz vor den Wahlen andeuten wollte, dass ihre Sanktionspolitik Früchte trägt.

Die dringlichsten Themen in Südkorea sind jedoch innenpolitischer Natur: Die Jugendarbeitslosigkeit ist annähernd so hoch wie Ende der 90er Jahre, als Südkoreas Wirtschaft von der Asienkrise erschüttert wurde. Zudem brechen die Exporte aufgrund der lahmenden Wirtschaft in China ein. Auch die Einkommensschere geht rasant auseinander. Die Haushaltsschulden betragen umgerechnet über 860 Milliarden Euro.

Allen voran verdüstert die demografische Entwicklung die Zukunftsaussichten des Landes. Südkorea leidet unter der niedrigsten Geburtenrate aller OECD-Länder. Diese hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass schwangere Frauen von ihren Arbeitgebern systematisch diskriminiert werden. "Vor allem für die Frauen ist Präsidentin Park eine große Enttäuschung", sagt Kelly und fügt hinzu: "Als erste weibliche Präsidentin Südkoreas hätte sie endlich etwas für die Frauenrechte tun können." Das hat sie versäumt.