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"Überlebenskampf"

20. November 2003

- Verschwindet in der Slowakei die Mittelschicht?

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Bratislava, 19.11.2003, RADIO SLOWAKEI, deutsch

Die Anzahl der Haushalte mit Durchschnittseinkommen sinkt, die Anzahl derer, die weniger Geld haben als die Mittelschicht, nimmt dagegen zu. Das bedeutet, dass die Mittelschicht, die laut Soziologen in den entwickelten Ländern die Stabilität garantiert, langsam verschwindet. Noch 1996 waren in der Slowakei in der sog. mittleren Einnahmezone mehr als 120 000 Haushalte, im Jahre 2002 waren es nur 50 000.

Die Experten weisen auf die untypische Verteilung von Haushalten nach dem Niveau und Struktur der Einkommen hin. Für einen normalen Stand halten sie das Gleichgewicht zwischen den größten Bevölkerungsgruppen – denen mit durchschnittlichen und denen mit untermittelmäßigen Einkommen. Statt dessen nimmt in der Slowakei die Anzahl der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen zu, was jedoch auf Kosten der Mittelschicht geschieht, wobei aber die Anzahl der Reichsten zunimmt.

"Die schwächste Gruppe der mittleren Schicht verliert ihren Überlebungskampf", meint der Soziologe Milan Vasecka. Ähnliche Entwicklung verzeichnete bereits in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre das benachbarte Ungarn. Laut der Soziologin Iveta Radicova seien die schwächsten Bevölkerungsschichten sehr empfindsam z. B. auf die Liberalisierung der Preise. Jede Preiserhöhung könne für sie den Fall in eine niedrigere Gruppe bedeuten.

Die Abschwächung der mittleren Schicht hängt auch mit der Arbeitslosigkeit, die seit 1998 sehr steil anstieg, zusammen. Diejenigen, die ohne Arbeit blieben, gehörten dank dem freigiebigen Sozialnetz noch lange nicht zu den Armen. "In wahrer Armut leben auch heute in unserem Land nur wenige Menschen, weniger als in Polen oder Ungarn", meint der Soziologe Milan Vasecka.

Die breite Mittelschicht ist in den entwickelten Ländern die Stütze der Demokratie. Falls die Menschen aus der unteren Mittelschicht in Armut versinken, verlieren sie ihr Vertrauen in die Demokratie und können zum Populismus neigen, warnt Vasecka. Als Hoffnung bezeichnet er das folgende Szenario: Falls es den Reformen gelingen würde, die Wirtschaft anzukurbeln, könnte der Verfall der mittleren Schicht gestoppt werden. (fp)