1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zensur im Iran

Behzad Keshmiripour / Shahram Ahadi17. Mai 2013

Die Liste der Tabuthemen und -begriffe in der Islamischen Republik Iran ist lang. Das zwingt viele Autoren zur Selbstzensur. Aber selbst diese Maßnahme scheint den Machthabern oft nicht zu genügen.

https://p.dw.com/p/18POd
Ein Buchverkaufsstand im Iran (Foto:Shabestan.ir)
Iran BuchBild: Shabestan.ir

Iranische Sicherheitskräfte durchsuchten im Januar 2013 die Büros von vier Tageszeitungen und einem Wochenmagazin in Teheran und nahmen mindestens 15 Journalisten fest. Der Vorwurf: Sie sollen Verbindungen zu ausländischen Medien unterhalten haben.

In den darauf folgenden Tagen veröffentlichten verschiedene offizielle Stellen, so auch das Ministerium für Geheimdienstfragen und Sicherheit, Pressemitteilungen, in denen von einer internationalen Verschwörung die Rede ist. Angeblich nehme diese immer größere Dimensionen an. Solche Anschuldigungen gehören inzwischen zum Alltag der schreibenden Zunft.

In den letzten Jahren wurden dutzende reformorientierte Zeitungen und Zeitschriften verboten. Oppositionelle vermuten, dass die jüngsten Verhaftungen der Einschüchterung der Medien im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Juni 2013 dienen sollten.

Verbindungen zum britischen Geheimdienst

Der iranische Geheimdienstminister, Heydar Moslehi, gab im März bekannt, dass ein Ring von 600 Journalisten aufgedeckt worden sei, der in Kontakt mit dem Ausland stehe. 150 Journalisten sollen im Iran tätig gewesen sein, der Rest außerhalb des Landes.

Eine Journalistin fotografiert iransiche Sicherheitskräfte (Foto:Shabestan.ir)
Kritische Journalisten haben im Iran einen schweren StandBild: Shabestan.ir

Kurz darauf erklärte das iranische Geheimdienstministerium, dass es Medieneinrichtungen ausfindig gemacht habe, die Verbindungen zum britischen Geheimdienst haben sollen. Bei den Sendern handelt es sich unter anderem um die Deutsche Welle und den französischen Sender RFI (Radio France Internationale).

In der Erklärung behauptet das Ministerium außerdem, dass die Organisation Reporter ohne Grenzen, aber auch der UN-Menschenrechtsberichterstatter für den Iran mit diesem internationalen Netz in Verbindung stehen. Man habe sich gemeinsam gegen den Islam und das "heilige System der islamischen Republik" verschworen, heißt es.

Die Reaktionen auf solche Vorwürfe ließen nicht lange auf sich warten. Der Iran-Referent im internationalen Sekretariat von Reporter ohne Grenzen in Paris, Reza Moini, sagte im Interview mit der Deutschen Welle, dass Reporter ohne Grenzen eine internationale Organisation sei und keine Bande, die sich von irgendjemandem lenken ließe. "Ein Staat kann doch nicht die ganze Welt als Handlanger eines Geheimdienstes beschuldigen", so Moini.

Auch Bücher werden kontrolliert

Immer wieder machen die iranischen Machthaber Verschwörungstheorien publik, um die Kontrolle der Medien und Kultureinrichtungen zu rechtfertigen, sind sich Oppositionelle einig. Auch die Verlage sind mittlerweile betroffen.

Büchersammlung für eine Dorfbibliothek. (Foto:IRNA)
Nicht nur Zeitungen, auch Bücher unterliegen im Iran strengen KontrollenBild: IRNA

Jedes Buch, das im Iran veröffentlicht wird, benötigt eine Genehmigung des Ministeriums für Kultur und islamische Führung - kurz: Erschad-Ministerium. Es kommt allerdings häufig vor, dass ein Schriftsteller mehrere Jahre auf eine Genehmigung warten muss oder die genehmigten Bücher nach der Veröffentlichung plötzlich wieder eingesammelt werden.

Ebrahim Yazdi war Außenminister in der ersten iranischen Regierung nach der islamischen Revolution (bis 1979). Er hatte im vergangenen Jahr aus Protest gegen das Erschad-Ministerium zwei seiner letzten Bücher im Internet veröffentlicht, weil er keine Genehmigung erhalten hatte. In einem der Bücher schreibt er über Mehdi Bazargan, den ersten iranischen Ministerpräsidenten nach der Revolution 1979. Sein zweites Werk handelt von der Studentenbewegung im Iran in den 1940er und 1950er Jahre.

Kinderbücher werden zensiert

Aber nicht nur politische Bücher werden streng kontrolliert, sondern sogar Kinderbücher. Farideh Khalatbari, Direktorin des Kinderbuchverlags Shabaviz, der bereits einige internationale Preise bekommen hat, erzählt, dass zwei von vier Bänden eines Kinderbuchs über Engel durch die Zensur fielen, weil die Gutachter des Ministeriums der Ansicht waren, die Engel seien nicht "korrekt“ dargestellt.

In einem Interview mit der iranischen Nachrichtenagentur ILNA sagte sie, dass die ersten beiden Bände mit derselben Engeldarstellung genehmigt worden seien. Nun stelle sie sich die Frage, wer denn überhaupt schon mal Engel gesehen habe, um zu beurteilen, wie denn eine "korrekte Darstellung" aussehen solle.

Ahmad Bigdeli, Preisträger des iranischen Buch-Staatspreises 2006 sagte ebenfalls im Interview mit ILNA, er habe fast vier Jahre auf die Genehmigung für einen Kriminalroman gewartet. Schließlich habe das Erschad-Ministerium ihn damit konfrontiert, dass ihnen die Darstellung eines Polizisten mit einem Schlagstock in der Hand nicht gefiele. Keiner könne etwas gegen solche Vorgehensweisen tun, sagte Bigdeli.

Lesekultur am Leben halten

Das Erschad-Ministerium, so Bigdeli, habe in den letzten Jahren seine Kontrollen so weit verschärft, dass selbst Autoren, die schon von sich aus Selbstzensur betrieben, an der jetzigen Situation verzweifelten. Den Kontrollbehörden jedenfalls scheine die Selbstzensur nicht ausreichend zu sein.

Lehrerinnen mit Computer und Knderbüchern in einer iransichen Schule (Foto:IRNA)
Auch Kinderbücher werden von der Zensur erfasstBild: IRNA

Shahla Lahidji, Direktorin des renommierten Roshangaran-Verlags, der vor allem Frauenliteratur veröffentlicht, beklagt die verheerenden Folgen der Zensur für die Gesellschaft: "Die Produktion von Kulturgütern ist ein Beleg dafür, das das Gehirn einer Gesellschaft aktiv ist. Das Aussetzen der Produktion bedeutet, dass dieses Gehirn nicht mehr aktiv ist und die Gesellschaft ihrem Tod entgegensteuert". Vor einer belesenen Gesellschaft müsse man keine Angst haben, so Lahiji, sondern vor einer Gesellschaft ohne Lesekultur.