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Öl-Pipeline mit Konsequenzen

Thomas Franke26. Mai 2005

Am Mittwoch (25.5.) ist die Pipeline vom aserbaidschanischen Baku ins türkische Ceyhan in Betrieb genommen worden. Sie gilt als eine der wichtigsten Öl-Leitungen der Welt. Das Großprojekt hat Gewinner und Verlierer.

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Schwieriges Gelände für die Leitung in der OsttürkeiBild: dpa - Bildarchiv

Mike Bilbo, Sprecher von BP-Türkei, sitzt auf einer Terrasse am Bosporus, der Meerenge mitten in Istanbul. Alle paar Minuten fährt ein Öltanker hinter ihm vorbei: leer in Richtung Schwarzes Meer, voll beladen zurück ins Mittelmeer. Der Bosporus ist das Nadelöhr für den Export von Öl aus dem Ural und aus der kaspischen Region, und er ist längst überlastet.

Nicht zuletzt deshalb sei die Pipeline von Baku durch Georgien und die Türkei ans Mittelmeer gebaut worden, sagt Unternehmenssprecher Bilbo: "Jeder gewinnt irgendwie. Die Anrainerstaaten haben sich auf eine Route geeinigt und Verträge miteinander abgeschlossen. Sie alle sind an den Erlösen aus der Pipeline beteiligt." Auch der Verbraucher werde profitieren meint Bilbo, weil neues Rohöl aus dem Kaspischen Meer auf den europäischen Markt komme - und das zu einer Zeit, in der die Reserven unter der Nordsee bald aufgebraucht sein werden.

Eine Billion Barrel täglich

Karte der Pipeline Baku-Ceyhan
Verlauf der Pipeline Baku-Ceyhan

Es wird zwar etwas dauern, bis das erste Öl die 1760 Kilometer zwischen Baku und Ceyhan hinter sich gebracht hat, aber von dann an sollen täglich eine Million Barrel Öl auf Tanker im Mittelmeer verladen werden. An dem Mammutprojekt sind elf Konzerne beteiligt, die Federführung hat der Energiekonzern BP, der mit rund 30 Prozent der größte Anteilseigner ist. Danach folgt die staatliche aserbaidschanische Ölgesellschaft.

Das Pipeline-Projekt wurde massiv von der US-Regierung unterstützt. Der damalige Präsident Bill Clinton reiste 1999 persönlich zur Vertragsunterzeichnung an. Die USA erhoffen sich mehr Unabhängigkeit vom arabischen und vom russischen Öl. Und sie wollen die jungen Südkaukasus-Republiken gegenüber Russland stärken. Seit dem Machtwechsel in Georgien haben die USA in dem jungen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili einen verlässlichen politischen Partner, der sich immer weiter von Russland entfernt.

Hier finden Sie Informationen über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Georgien.

Georgischer Präsident wirbt für sich

Saakaschwili kommen die Einnahmen aus dem Transitgeschäft sehr gelegen, denn er hat seinen Wählern einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. "Georgien entwickelt sich jetzt viel schneller als früher. Unser Haushalt ist dieses Jahr dreieinhalb Mal so hoch wie unter Ex-Präsident Eduard Schewardnadse, und er vergrößert sich ständig. Wir werden in diesem Jahr viel mehr Investitionen in Georgien haben als bisher", sagt der Politiker.

Georgiens Nachbarland Armenien hingegen wurde von der Pipeline ausgeschlossen, obwohl die Route durch Armenien die kürzeste gewesen wäre. Eine Konsequenz daraus ist, dass Armenien sich strategisch noch mehr an Russland orientiert. Dass die Route der Pipeline um Armenien herum führt, liegt vor allem an dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach. Die Staaten befinden sich formell quasi im Kriegszustand, auch wenn an der Grenze nicht scharf geschossen wird.

Geld für kriegerische Auseinandersetzungen?

In Aserbaidschan geht der Gewinn aus dem Ölgeschäft in einen staatlichen Ölfonds. Kritiker befürchten jedoch, dass das Regime in Aserbaidschan das Geld nutzen wird, um die von Armeniern besetzten Gebiete um Berg-Karabach zurück zu erobern. Der Direktor des Ölfonds, Samir Sharifov, ein guter Bekannter des aserbaidschanischen Präsidenten, schließt das nicht aus.

Mit der Eröffnung der Pipeline Baku-Ceyhan verliert vor allem Russland - wirtschaftlich und strategisch. Denn bisher wurde kaspisches Öl vorwiegend durch russische Pipelines exportiert. Weil der Export durch die Türkei läuft, entgehen Russland Transitgebühren in Millionenhöhe.

Russland will nun auch Pipelines statt Tanker

Die Atmosphäre habe sich inzwischen jedoch merklich entspannt, meint BP-Mann Bilbo: "'Transneft', die staatliche russische Pipeline-Gesellschaft, hat die Pipeline von Baku nach Ceyhan angeschaut, besonders die Technik, weil die weit über die russischen Standards hinausgeht. Die haben von uns gelernt - und jetzt wollen sie weitere Transit-Pipelines bauen, entweder durch die Türkei oder durch Bulgarien und Griechenland. Russland will sein Rohöl sicher und umweltverträglich exportieren. Und die Russen haben begriffen, dass dies besser ist, als noch mehr Tanker durch den Bosporus zu schicken."

Auch BP denkt bereits über eine Erweiterung der Baku-Ceyhan-Pipeline nach. Im Schwarzen Meer finden zurzeit Probebohrungen statt. Wird dort Öl gefunden, ist ein weiteres Ölrohr durch die Türkei nötig. Auch soll die Pipeline nach Osten erweitert werden. Dann könnte nicht nur kaspisches Öl, sondern auch solches aus Kasachstan nach Westen fließen.