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Deutschland in Zahlen

4. März 2010

Die Allensbach-Jahresberichte gehören zu den Höhepunkten der Meinungsforschung in Deutschland. Sie verschaffen einen umfassenden Zugang zur deutschen Befindlichkeit - mit teilweise überraschenden Fragestellungen.

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Schmelzende Menschen aus Eis stehen waehrend einer Kunstaktion des WWF gegen den Klimawandel (Foto: AP)
Bild: AP

Es gibt Dinge im Leben, von denen man glaubt, dass sie bestimmt niemanden interessieren. Fragen, für die man selbst möglicherweise nie nach einer Antwort suchen würde. Etwa so etwas wie: "Kaufen Sie Ihre Strümpfe und Socken meistens selbst, oder kauft die jemand anders für Sie?" Das Institut für Meinungsforschung Allensbach will solche Sachen aber wissen. Deswegen wissen wir nun, dass nur die Hälfte der in einer Partnerschaft lebenden deutschen Männer selbst auf Sockensuche geht.

Wer die Deutschen so richtig kennen lernen und sich dabei nicht nur auf sein Bauchgefühl verlassen will, der hat jetzt ein zahlenstrotzendes Hilfsmittel zu seiner Verfügung: Das Allensbacher "Handbuch der Demoskopie, Band 12". Es umspannt Umfragen der Jahre 2003 bis 2009 und verfolgt Meinungsentwicklungen bis in die 1950er-Jahre zurück - Ansichten über das deutsche Selbstwertgefühl, Politik, Gesellschaft und den Konsum.

Unverzichtbar für Meinungsmacher

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht auf einer Veranstaltung des Institutes für Demoskopie Allensbach (Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht vom "Primat der PolitikBild: picture alliance / dpa

Die deutsche Befindlichkeit, die auf den Seiten des Jahrbuchs ausgebreitet wird, interessiert natürlich vor allem diejenigen, die sich mit der öffentlichen Meinung von Berufs wegen auseinandersetzen müssen: die Politiker. Angela Merkel kam trotz ihres vollgepackten Terminkalenders zur Buchvorstellung des Verlages "Walter de Gruyter" und lobte das Werk überschwänglich. "Es ist spannend, darin zu lesen", sagte Angela Merkel, "es erklärt und ordnet nicht nur die Vergangenheit, sondern es lässt uns die Gegenwart besser verstehen".

Das Buch erhält auch viele aufbauende Zahlen für Merkel. Sie belegt Platz zwei in der Rangliste der Politiker, die für aufrichtig gehalten werden, gleich nach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Anteil der Menschen, die sie für eine starke Kanzlerin halten, ist 2009 auf 47 Prozent angestiegen (2005: 32 Prozent). Über solche Umfragen kann man sich freuen.

Politik für die Zukunft

Bei all den anderen Umfragen, denen über Hartz IV, Auslandseinsätze, Rettungspakete für Banken, schöpft Merkel aus den Langzeittrends über die letzten Jahrzehnte Hoffnung. "Rückblickend kann man sagen, dass die großen Entscheidungen alle keine demoskopischen Mehrheiten hatten, als sie gefällt wurden," sagt Merkel und zählt die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, Wiederbewaffnung, Ostverträge, Nato-Doppelbeschluss, das Festhalten an der Einheit und die Einführung des Euro auf. "Ich finde es auch vernünftig, dass die Bevölkerung sich das Ergebnis einer Maßnahme erst einmal anschaut und sich erst dann das Urteil darüber bilden kann."

Also, so die Lehre, auch wenn das Volk murrt, muss der Politiker machen, was er für richtig hält. "Das Primat der Politik", nennt das die Kanzlerin. Übrigens glauben mehr als zwei Drittel der Bevölkerung, dass Politiker Karrieristen sind, die mehr an ihrem Gehalt und weniger an den Interessen der Bevölkerung interessiert sind.

"Es geht um ein Land, das man gerne haben kann und das zu Recht stolz ist auf das Erreichte", urteilt Merkel abschließend. Aber es zeigt auch ein Land, das resigniert wirkt. Auf Sicht von zehn Jahren erwarten die meisten eher, dass ihr Wohlstand sinkt. Sie erwarten Einschnitte im sozialen Netz und mehr Verteilungskämpfe.

Für jeden die passende Umfrage

Die Vorsitzende des Institutes für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher (Foto: dpa)
Die Vorsitzende des Institutes für Demoskopie Allensbach, Renate KöcherBild: picture alliance / dpa

"Ein Land, das fürchtet, seinen Zenit überschritten zu haben", so die Meinungsforscherin und Herausgeberin des Jahrbuchs, Renate Köcher, "will vor allem seinen Status quo in die Zukunft verlängern". Große Reformen sind unter diesen Bedingungen schwer umzusetzen, auch hier bietet Allensbach der Kanzlerin Argumente, an strittigen Vorhaben festzuhalten, auch wenn sie erstmal nicht mehrheitsfähig sind.

Wem die Erkenntnisse der Meinungsforscher über die Zukunftsängste der Deutschen erschreckend vorkommen, dem sei zur Beruhigung mitgegeben, dass die Zahl derjenigen, die das Gefühl, "dass einem das Leben oft so sinnlos vorkommt", seit den 1960er-Jahren nur unwesentlich schwankt. 2008 waren es 57 Prozent.

Die versammelten Statistiken sind durchaus unterhaltsam. Vielleicht taugt es auch in Maßen dazu, das Gespräch auf einer lauen Party in die gewünschte Bahn zu lenken, wenn man erklärt, dass 69 Prozent der deutschen Frauen an die große Liebe glauben und immerhin auch 59 Prozent der Männer.

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Kay-Alexander Scholz