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Änderung des Abtreibungsgesetzes, Legalisierung homosexueller Partnerschaften

4. Februar 2002

- Radikaler Flügel der polnischen SLD fordert Liberalisierung mehrerer Gesetze

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Warschau, 1.2.2002 ZYCIE WARSZAWY, poln.

Die Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes, die Legalisierung homosexueller Partnerschaften sowie die Beschränkung der Steuerrechte der Kirche gehören zu den Ideen, für die sich eine radikale Gruppe von Parlamentsabgeordneten einsetzen will: "Noch in diesem Monat werden wir eine spezielle Parlamentsgruppe 'NIE' ( NEIN) ins Leben rufen", kündigt der Abgeordnete Piotr Gadzinowski an.

Die linke Regierung wird alles daransetzen, um die guten Beziehungen zur Kirche aufrechtzuerhalten und keine heftigen Diskussionen über die allgemeine Weltanschauung in der ganzen Bevölkerung hervorzurufen.

Bedeutet dies jedoch, dass die Aktivisten der Linken (SLD) ihre Wahlversprechen vergessen haben? Auch wenn dies stimmen sollte, so bezieht es sich nicht auf alle Linken.

Die Radikalen der Allianz der Demokratischen Linken (SLD) beabsichtigen, eine Parlamentsgruppe NIE zu bilden: "Das Interesse der Kollegen im Klub ist groß. Ich möchte jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nicht in unserer Absicht liegt, als eine informelle Opposition weder gegenüber der Regierung noch gegen die Strukturen der Partei SLD zu agieren", betont der Abgeordnete Piotr Gadzinowski.

Eine ähnliche Gruppe war auch während der letzten Amtsperiode des Sejms tätig. Ihre Gründer machen keinen Hehl daraus, dass es ihnen in dieser Amtsperiode im Parlament besser gehen sollte. Sie wollen sich für Projekte einsetzten, die für den ganzen Parlamentsklub oder viel mehr für die regierende Koalition eher unbequem wären. "Wir wollen realistisch bleiben. Das Kabinett Miller wird keinen Gesetzentwurf z.B. über die Legalisierung homosexueller Partnerschaften vorlegen", erklärt Piotr Gadzinowski und fügt hinzu: "Eine Initiative in der einen oder anderen Angelegenheit kann aber eine Gruppe von Abgeordneten ergreifen."

Erstens, die Abtreibung ... Die Koalition aus Bündnis Demokratische Linke (SLD) und der Arbeitsunion (UP) hatte während des Wahlkampfes eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes angekündigt. Nach den Wahlen wurde dieses Thema für die Linken jedoch unbequem. Es ist auch nicht verwunderlich, dass sich die Regierung nach der Übernahme des Amtes der Regierungsbevollmächtigten für die Gleichstellung von Mann und Frau durch Izabela Jaruga-Nowacka und nach deren Ankündigungen, das Abtreibungsrecht zu ändern, sofort davon distanzierte: "In den Plänen der Regierung für dieses Jahr gibt es keinen solchen Punkt", betonte Michal Tober, Pressesprecher des Kabinetts Miller. " In dieser Zeit sind wir völlig mit der Wirtsschaft beschäftigt", bestätigte Minister Krystyna Lybacka. (...)

Es gab sogar Meinungen, dass zwischen der Kirche und der Regierung Miller ein stilles Abkommen in dieser Angelegenheit geschlossen wurde: Die Bischöfe werden den Beitritt Polens in die EU unterstützen und die Regierung wird im Gegenzug keine Änderungen im Abtreibungsgesetz vornehmen. Dies ist eine absurde Idee, aber manche scheinen an sie zu glauben: "Ist die Europäische Union eine heilige Messe wert? Lohnt es sich, die Bischöfe nicht zu verärgern, weil sie sich dann für den Beitritt in die EU aussprechen werden?", fragte Abgeordnete Piotr Gadzinowski in einem Artikel in der Zeitung "Trybuna"

Andere Abgeordnete glauben nicht an solch eine Verschwörung. Sie geben jedoch zu, dass kontroverse Ideen bezüglich der Grundeinstellung zur Zeit nicht willkommen seien: "Ich betrachte die Lage realistisch. Wenn ich jetzt angesichts der Haushaltsprobleme den - auf jeden Fall richtigen - Vorschlag machen würde, die Abtreibung aus sozialen Gründen zuzulassen, würde man mich als Wahnsinnige bezeichnen", erklärt Izabela Sierakowska (SLD).

Etwas für die Schwulen: Die Parlamentsabgeordneten von der Gruppe NIE sind nicht leicht zu entmutigen. Seit einigen Monaten sind sie mit einem Gesetzentwurf beschäftigt, in dem die Zulassung der homosexuellen Ehen vorgesehen wird: "Ich möchte gern, dass dieses Gesetz noch in dieser Amtsperiode verabschiedet wird, aber dies wird nicht leicht werden", gibt die Abgeordnete Alicja Murynowicz hinzu.

Welche Lösungen schlagen die Parlamentsabgeordneten von der Gruppe NIE vor? Es werden zwei Varianten genannt. Die erste bezieht sich nur auf homosexuelle Beziehungen. In der anderen wird - nach dem Muster des französischen "Pacs"- vorgeschlagen, einige Rechte allen in einer Partnerschaft und ohne Trauschein lebenden Personen zuzusprechen und zwar unabhängig vom Geschlecht. In beiden Fällen könnten diese Personen u.a. über gemeinsames Vermögen verfügen, aber kein Recht auf Adoption besitzen. Die Senatorin Maria Szyszkowska von der Partei SLD geht noch weiter: "Homosexuelle Paare sollte man das Recht auf Adoption zusprechen. In vielen Fällen würde dies ein besseres Schicksal für die Kinder bedeuten, die in den Kinderheimen oder in den Familien aus sozialen Randgruppen aufwachsen", erklärt Maria Szyszkowska.

(...) "Was ist mit den politischen Initiativen passiert, die die Trennung zwischen Kirche und Staat sichern sollten?", fragte vor kurzem Jerzy Urban in seinem Artikel in der Zeitschrift NIE. Auch in der Zeitung TRYBUNA, die noch bis vor kurzem moderate Töne gegenüber dem Bündnis Demokratische Linke angeschlagen hatte, gibt es immer mehr kritische Äußerungen über die Regierung.

Wächst in den Reihen der Linken eine innere Opposition? Eher nicht. Wir haben es viel mehr mit einer gut durchdachten Taktik zu tun. Beim Kampf um die Gunst der Wähler und bei dem Versuch, guten Beziehungen zur Kirche zu gestalten, darf die Partei von Miller den Kern ihrer Wählern nicht vergessen.

Die kontroversen politischen Initiativen, die von einer Gruppe des Bündnisses Demokratische Linke stammen, können die Forderungen der linken Radikalen mindestens zum Teil erfüllen. Sie stellen aber gleichzeitig das Bild der Regierung Miller als "der Regierung aller Polen" nicht in Frage.

Werden die Gesetzentwürfe, die von der Gruppe NIE unterstützt werden, später auch die Befürwortung anderer Parlamentsabgeordneter des Bündnisses Demokratische Linke finden können? Der Abgeordnete Gadzinowski verbirgt seine Zweifeln nicht: "Wir werden sehen. Ich zähle auf die Kollegen aus den Reihen der Linken." Und fügt später hinzu: "Aber in der Bibel steht doch geschrieben 'An den Früchten sollt ihr sie erkennen'". (Sta)