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Liberaler Aufbruch?

1. April 2009

Auch nach drei Jahrzehnten sitzt Ägyptens Regime unter Präsident Hosni Mubarak fest im Sattel. Doch nach der Freilassung eines liberalen Politikers hofft die Opposition auf das Ende des autokratischen Machtmonopols.

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Der frühere ägyptische Oppositionsführer Ayman Nour bei seiner Freilassung im Februar 2009 (Foto: AP)
Die Freilassung Nours gab Ägyptens Opposition Anlass zur HoffnungBild: AP

Als Ende Februar 2009 die Symbolfigur der liberalen Opposition in Ägypten, Ayman Nour, nach über drei Jahren Haft überraschend freigelassen wurde, feierten die Anhänger seiner "Ghad"-Partei sowie viele säkulare Intellektuelle diesen Tag als den Beginn einer neuen Reformära.

Ayman Nour im Gefängnis 2005 (Foto: AP)
Nach den Wahlen warf man Nour vor, diese manipuliert zu habenBild: AP

Dabei war die plötzliche Entlassung des populären Herausforderers von Hosni Mubarak bei den letzten Präsidentschaftswahlen wohl dem Zusammenspiel gleich mehrerer Faktoren geschuldet: den Appellen der USA nach mehr Demokratie am Nil, dem Führungswechsel im Weißen Haus und dem anhaltenden Druck der ägyptischen Zivilgesellschaft.

Das vorläufige Aus der "Kifaya"-Bewegung

Nach nunmehr fast drei Jahrzehnten ist Mubaraks Herrschaft ungebrochen, der demokratische Spielraum der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition minimal. Proteste – wie die der politischen Bewegung "Kifaya" (zu Deutsch: "Es reicht!") im Präsidentschaftswahljahr 2005 – wurden meist brutal unterdrückt und verhallten schon bald darauf.

Die politische Bewegung 'Kifaya' (zu Deutsch: 'Es reicht!') im Präsidentschaftswahljahr 2005 (Foto: dpa)
Proteste wurden meist brutal unterdrückt und verhallten schnellBild: AP

Doch lässt die Freilassung des liberalen Politikers Ayman Nour Ägyptens säkulare Opposition nun aufhorchen. Viele glauben bereits jetzt, die Ereignisse vom Mai 2005 könnten womöglich eine neuerliche Dynamik erfahren – für mehr Meinungsfreiheit und politischen Pluralismus.

Der 5. Mai 2005 bedeutete für Ägyptens liberale Opposition eine Zäsur: Es gelang ihr, eine Verfassungsänderung durchzusetzen, die dem Land die ersten wirklich freien Präsidentschaftswahlen bescherte. Zudem erfuhr die außerparlamentarische "Kifaya"-Bewegung eine breite Unterstützung von großen Teilen der Zivilgesellschaft. "Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes fanden Präsidentschaftswahlen statt, zu denen mehrere Kandidaten antraten", erinnert sich Amr Gharbeia, ehemaliger Aktivist der "Kifaya"-Bewegung. "Dies war eine Folge des internen und externen Drucks auf Mubarak, und die Medien schenkten diesem Ereignis große Aufmerksamkeit."

Eine Generationen übergreifende Protestbewegung

Die "Kifaya"-Bewegung war ein heterogenes Protestbündnis, das aus rund 2000 Aktivisten bestand, die in der Innenstadt von Kairo regelmäßig für ein Ende der Notstandsgesetzgebung und der autoritären Mubarak-Politik demonstrierten. Der Bewegung gelang es, die Reihen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition zeitweise zu schließen: Jüngere und ältere Vertreter der Opposition waren in ihr gleichermaßen vertreten, berichtet Amr Gharbeia: "Von jeder politischen Strömung gab es in der 'Kifaya' ein älteres und ein neues Gesicht, alte und junge Liberale, wie zum Beispiel Ayman Nour und seine 'Ghad-Partei' – die jungen Liberalen, die gegen die etablierte, ältere liberale Wafd-Partei aufbegehrten. Das Gleiche galt für die panarabischen, sozialistischen und islamistischen Oppositionsparteien."

Über ein Jahr währte das Oppositionsbündnis. Doch als die Wahlen vorbei waren, nahm das Medieninteresse ab und das Regime zerschlug kurzerhand die Bewegung. Viele der Aktivisten wurden inhaftiert. Der politische Frühling der "neuen Opposition" war vorbei. Ayman Nour kam unter dem Vorwand der Wahlmanipulation ins Gefängnis, nachdem seine liberale "Ghad"-Partei 13 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak (Archivfoto: dpa)
Seit fast 30 Jahren fest im Sattel: MubarakBild: picture-alliance/dpa

Doch nach vierjährigem politischen Stillstand wittert Ägyptens Opposition nun ihre zweite Chance: Ayman Nour kündigte – trotz des vom Staat verordneten, vorübergehenden politischen Betätigungsverbotes – bereits seine Rückkehr ins politische Leben an. Und er ist optimistisch, mit seinem Parteiprogramm vor allem die ökonomischen und sozialen Bedürfnisse der jüngeren Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Der Kampf gegen die Korruption und die Etablierung einer rechtsstaatlichen Ordnung sind weitere Eckpunkte auf der politischen Agenda seiner Partei.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Neben der säkularen, liberalen Opposition rüstet inzwischen auch die islamistische Muslimbruderschaft auf: Vor allem außenpolitische Ereignisse wie der jüngste Gaza-Krieg und der politische Rechtsruck im Nachbarland Israel sind es, die die Oppositionellen zusammenschweißen und es ihr ermöglichen, die Bevölkerung zu mobilisieren – nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen die eigene Regierung. Ein Beispiel hierfür sind die zahlreichen Proteste nach dem Besuch der damaligen Außenministerin Zipi Livni in Kairo Ende Dezember letzten Jahres, als aufgebrachte Demonstranten dem Mubarak-Regime vorwarfen, Israel im Kampf gegen die Hamas im Gaza-Streifen vorbehaltlos zu unterstützen.

Auch in außenpolitischer Hinsicht erhoffen sich die Mubarak-Gegner neue Impulse und eine künftig aktivere Unterstützung von der neuen US-Administration gegen den autoritären Herrscher in Kairo. Und die Chancen stehen derzeit nicht schlecht, dass das Mubarak-Regime dieses Mal einen nachhaltigen innenpolitischen Reformkurs einschlagen muss, sofern es politisch überleben und weiterhin von Washington finanziell unterstützt werden will.


Autor: Arian Fariborz

Redaktion: Ina Rottscheidt